Neonazi und Burschenschaften
Die völkische Front marschiert am 8.
Mai 2002
Von Karl Pfeifer
Walter Ochensberger, beklagt in einem "1. Brief aus der politischen
Gesinnungshaft" aus der Justizanstalt Feldkirch in Vorarlberg sein Leid als
"politischer Gefangener in Österreich". Ochensberger schildert seine
Haftgeschichte. Schreckliche Dinge passierten in österreichischen Gefängnissen:
"Ein gelber Davidstern mit der Inschrift: "Ich schäme mich für meinen
Fremdenhaß!", klebte über dem Guckloch der Zellentür wie ein Symbol entlarvter
Verantwortlichkeit für die geknebelte Freiheit unseres deutschen Volkes.
Was für eine Chuzpe, ausgerechnet dieses Symbol - des jüdischen Chauvinismus und
Auserwähltheitswahns nicht nur gegenüber den Palästinensern - zur Demütigung
eines politischen Gefangenen dafür zu benutzen!" Der arme gedemütigte Neonazi
bettelt doch um finanzielle Unterstützung an sein P.S.K. Konto und beklagt, dass
die Dresdner Bank sein Konto in Lindau "ohne Angaben von Gründen schon nach nur
vier Wochen wieder gekündigt" hat.
Ochensberger bittet die Empfänger seines Briefes an den BM für Justiz und
ehemaligen Anwalt des Jörg Haider zu schreiben, dem "alten Herren" einer
Burschenschaft: "argumentieren Sie sachlich für die Freiheit des politischen
Gefangenen Walter Ochensberger!"
Nach einem langen Zitat aus Oswald Spengler wieder eine Klage, "wie unser
deutsches Volk, dank des Weltpolizisten USA, vor die Hunde geht. Die deutsche
Volksgemeinschaft existiert nicht mehr. Die Umerziehung unseres Volkes und die
Propaganda des "American way of life" ist im Begriff alles zu zerstören, was in
vielen Jahrtausenden gewachsen ist."
Meint er am Ende die jüdisch-christliche Tradition? Keinesfalls damit hat
Ochensberger nichts am Hut.
"Dieser destruktive und aggressive US-Raubtierkapitalismus zerstört nicht nur
alle ethisch-kulturellen Werte, sondern auch die ethnische Homogenität unseres
und aller anderen Völker."
Es ist interessant zu merken, dass dieser Apologet des Naziregimes das Wort
Rasse meidet, er phantasiert lieber von einer ethnischen Homogenität, die es
hierzulande nie gegeben hat.
Ochensberger gibt auch aus der Justizanstalt Ratschläge: "Angesichts der
dramatischen strategischen Lage ist es eine Überlebensfrage für unser deutsches
Volk in Mitteleuropa, daß Deutschland umgehend und aktiv eine Politik der
Kooperation und wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber Rußland, China und
darüber hinaus betreibt."
Ich erspare den Lesern seine Auslassungen über die USA-Politik in Afghanistan
und Irak, die ist in einer ähnlichen Diktion auch bei der "antiimperialistischen
Koordination" nachzulesen.
Ochensberger weiß auch wer jede Friedensinitiative ablehnt: "Wann immer in den
vergangenen Jahren eine Friedensinitiative in Palästina/Israel es wagte, ihren
Kopf herauszustrecken, waren Ariel Sharons Regierung und die Armee mit einer
blutigen Provokation zur Hand."
Ochensberger verzagt nicht und postuliert seine Grundsätze, die sich nicht
wesentlich von den Grundsätzen des Wiener Korporations-Rings (WKR)
unterscheiden: "Wir verstehen unter Politik das Wirken für Volk, Heimat und
Vaterland und damit für die Zukunft unseres Volkes. Für uns muß alles als falsch
und sinnlos gelten, was dem deutschen Volk nicht nützt und alles ein Verbrechen,
was dem deutschen Volk und den Völkern dieser Welt schadet." Der Wiener
Korporations-Ring drückt diesen Grundsatz kürzer und bündiger aus: "Bekenntnis
zum angestammten Volkstum im Rahmen der abendländischen Kulturgemeinschaft".
Ochensberger, hat in seiner "Luxusherberge für die nächsten acht Monate"
verstanden worauf es ankommt, und wenn er schon die Welt nicht ändern kann, so
erklärt er sie nach bewährter Nazi Methode: "Man vertritt in der Politik nicht
mehr das ganze Volk, sondern nur noch die der Interessenverbände von Politik und
Wirtschaft und noch schlimmer - die Interessen der einzigen von den so genannten
"Auserwählten" geführten und gegängelten Weltmacht USA."
Nicht aus der Justizanstalt agieren der Wiener Korporations-Ring (WKR) und der
Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Anstatt wie es dem "Ehrenstandpunkt" und
teutschen Mannesehre entspricht sich offen gegen das NS-Verbotsgesetz zu wenden
und ihren Bundesbruder und FPÖ Abg.z. NR Martin Graf zu bitten, doch bei den
Burschenschaftern in der größten Regierungspartei durchzusetzen, dass diese
ihrem Koalitionspartner die Abschaffung dieses Verfassungsgesetzes vorschlagen,
haben sie während einer Pressekonferenz im Wiener Café Mozart Kreide gegessen
und gaben vor, sich doch an die Gesetze halten zu wollen.
Sie möchten lediglich wie die Neonazi die Geschichte umschreiben und
veranstalten deshalb eine Diskussion "Selbstachtung statt Selbsthaß/Neuer Umgang
mit der Zeitgeschichte" am 8. Mai 2002.
Der hohe Würdenträger dieser Republik, Volksanwalt Mag. Ewald Stadler nimmt
daran Teil, wie auch Dr. Josef Feldner vom Kärntner Heimatdienst, eine
Organisation deren Nazivergangenheit zu wenig bekannt ist. Doch der Star des
Abends ist der in Südafrika lebende deutsche Rechtsextremist Dr. Claus
Nordbruch.
Wie wollen WKR und RFS die Geschichte umschreiben? Auf die gleiche Art wie die
Neonazi, sie wollen aufrechnen. In ihrer Einladung zu dieser Podiumsdiskussion
zitieren sie aus der "Dokumentation der Vertreibung" eine wahre oder angebliche
Greueltat der Roten Armee in Ostpreußen. Sie lassen also die Geschichte mit dem
Vormarsch der Roten Armee beginnen.
Warum wollen WKR und RFS die Geschichte umschreiben? Weil es heutzutage schwer
fällt mit der Hypothek der nationalsozialistischen Verbrechen, an denen auch
einige noch immer von ihnen verehrte Burschenschafter führend teilgenommen
haben, die studentische Jugend für ihren männerbündlerischen "Lebensbund" zu
begeistern. Es gab für die
Burschenschaften bessere Zeiten, als sie noch die zweite Kraft an
österreichischen Universitäten waren. Ich erinnere mich an die
Demonstration von schlagenden Burschenschaftlern und des RFS für Prof.
Taras von Borodajkewicz.
Damals riefen sie den Demokraten zu: "Juden nach Auschwitz, Kommunisten
nach Moskau" und als ein alter Kommunist mit ihnen diskutieren wollte,
wurde er von einem Burschenschafter so niedergeschlagen, dass er starb.
Brachialgewalt gegen Menschen geht in Österreich nur von
Rechtsextremisten aus, das war so im oben erwähnten Fall Kirchweger und
auch vor ein paar Jahren, als ein angeblicher Einzeltäter vier Roma
ermordete.
Heute können WKR und RFS nicht mehr wagen, so offen aufzutreten, wie es ihre
"alten Herren" 1965 taten. Trotzdem darf man die Gefahr einer völkischen Front,
die von der größten Regierungspartei und bis zu den am Heldenplatz legal
demonstrierenden Neonazi reicht, nicht unterschätzen.
Denn die Österreichische Volkspartei (ÖVP) - einst eine Partei, die
stolz auf die Mitglieder war, die von den Nazi inhaftiert gewesen waren
- hat unter der Führung von Wolfgang Schüssel und Andreas Khol eine
Wende nach rechts vollzogen und so darf es auch nicht wundern, dass
Innenminister Strasser (ÖVP) keinen Rechtsextremismusbericht mehr
herausgeben läßt, sind doch im letzten Bericht Burschenschaften und die
der ÖVP und FPÖ nahe stehende Wochenzeitung "Zur Zeit" erwähnt.
Es bleibt abzuwarten, ob der Innenminister auch am 8. Mai die
Rechtsextremisten am Heldenplatz aufmarschieren läßt und so
signalisiert, dass auch seine Partei diese völkische Front toleriert.
Zwar hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sich mit seiner Unterschrift am
3. Februar 2000 verpflichtet, "jeder Form von menschenverachtendem
Gedankengut und seiner Verbreitung konsequent entgegenzutreten", doch
wenn Neonazi in der Mitte Wiens von der Polizei toleriert mit Rufen wie
"Ausländer raus" aufmarschieren können, dann ist ihm seine Koalition mit
den Hintermännern dieser Rechtsextremisten wichtiger als sein
feierliches Versprechen und man kann daraus auch ersehen, was das Wort
des Regierungschefs, der Österreich lediglich als erstes Opfer des
Nationalsozialismus sehen will, gilt.
Der Rektor der Universität Wien hat diese Veranstaltung der WKR und RFS auf
Universitätsboden verboten. Die Rechtsextremisten drohen, diese Veranstaltung
trotzdem durchzuführen.
Am 8. Mai ging der Zweite Weltkrieg zu Ende, denjenigen, die diesen Tag des
Sieges über den Nationalsozialismus ganz offen als einen Tag der Niederlage
begehen wollen, ist das Handwerk zu legen. Dazu wäre auch laut NS-Verbotsgesetz
die österreichische Bundesregierung verpflichtet.
hagalil.com / 24-04-2002 |