Ein Bericht aus
Neuhaus/Thüringen:
Rechte Dominanz und National Befreite Zonen
Am 12. Mai werden
BürgerInnen aus Neuhaus/Rennweg und ganz Thüringen gegen Rassismus und
Rechte Gewalt demonstrieren. Die Hauptrednerin wird Anetta Kahane,
Antonio Amadeu Stiftung, Berlin, sein.
Neuhaus/Lauscha ca. 4000 EinwohnerInnen:
Ein Bericht zur Realität
rechter Dominanz
In dieser kleinen Gemeinde agieren
ca. 30 Rechtsextreme, die in der Kameradschaft Lauscha, die sich "Blutsbruderschaft
Lauscha" nennt, organisiert sind bzw. mit dieser sympathisieren. Die
Mitglieder stammen aus dem gesamten Landkreis Sonneberg. Ihr
Haupt-Treffpunkt ist das "Café Oberland" in Lauscha.
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Schützenfest 1997: ein Lauschaer
Punk wurde von Rechtsextremen mit einer Gaspistole bedroht.
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Kirmes 1998:
Ein Jugendlicher wurde aufgrund seiner buntgefärbten Haare
niedergeschlagen, eine stationäre Notversorgung war erforderlich. Seine
Mutter wurde mit Anschlägen bedroht, falls sie bei der Polizei Anzeige
erstatte.
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Sommer 1999: Drohbriefe von
Lauschaer Neofaschisten an einzelne Jugendliche. Hetzjagden unter Grölen
von Parolen, wie zum Beispiel "Hier marschiert der nationale
Widerstand!"
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Kirmes 1999: Ca. 20 Rechte umzingeln
1 Punk und 5 junge Frauen. Sie wurden festgehalten, geschubst und
beschimpft. Nachdem die Eltern zu Hilfe geholt wurden, forderte einer
der Nazis diese auf, "ihre Kinder arisch zu erziehen".
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Schützenfest 1999: Mehrere Nazis
prügeln und treten brutal auf einen Afrikaner ein. Der Afrikaner wurde
lebensgefährlich verletzt.
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Frühjahr 2000: Ein DVU-Mitglied
entzieht Lauschaer Punkband die Textmappe. Danach wurden Bandmitglieder
verfolgt, diskriminiert und zusammengeschlagen.
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April 2000: Rechte stören private
Geburtstagsfeier mit Hitlergruss als Ankündigung der darauffolgenden
Gewaltübergriffe an 2 Jugendlichen. Am 20. April wurde in Neuhaus ein
Afrikaner von Neonazis überfallen.
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Kirmes 2000: Schlägerei auf dem
Kirmesgelände, angefangen von Rechtsradikalen. Punks flüchten auf einen
Balkon. Die Nazis werfen einen Bierkrug - Folge: Platzwunde am Kopf
eines linken Jugendliche. Die Betroffenen sowie Eltern und andere Zeugen
wurden davor gewarnt, Anzeige zu erstatten: "Du hast nichts gesehen....
Wenn ich dich einmal alleine treffe, bringe ich dich um."
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Herbst 2000: Im Kulturhaus Lauscha
wurden Jugendliche nach Konzertbesuch von Neonazis am Fortgehen
gehindert. Schläge ins Gesicht eines Jugendlichen folgten.
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Büttenabend 2001: Rechte stürmen mit
Baseballschlägern bewaffnet das Kulturhaus.
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März 2001: Nach Konzertbesuch wird
ein Auto mit jungen Frauen durch Faschisten aufgehalten. Tritte gegen
das Auto folgten.
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Eine Woche später: Auf dem
Hüttenplatz umzingeln Rechte 4 Autos, in denen sich linke Jugendliche
befanden. Schläge, Bedrohungen
und wiederum Tritte gegen Autos. Die Polizei wurde gerufen, kam und nahm
Aussagen auf.
In fast allen Fällen wurde Anzeige
erstattet, in den wenigsten kam es zu einer Gerichtsverhandlung, und
selbst diese zogen keine angemessenen Strafen mit sich.
Meistens wurde die Rechte Gewalt
bagatellisiert, während Jugendliche, die durch ihr Aussehen, z.B. Punks,
aus der „Reihe tanzen“, kriminalisiert werden.
Nazis, die die "Blutsbruderschaft
Lauscha" gegründet haben und fast alle Mitglieder der Parteien DVU oder
NPD sind, können relativ ungestört in Lauscha, Neuhaus und Sonneberg
agieren.
Die Nichtrechte-Jugend im
Landkreis Sonneberg fühlt sich eingeengt und
ist bereit sich gegen die Einschüchterungen durch Rechtsradikale
zu wehren, allerdings fehlt es an Unterstützung.
Neuhaus/Sonneberg, 12. Mai:
Demonstration gegen Rassismus und Neofaschismus
Die
Demonstration gegen Rassismus und Faschismus findet am 12. Mai, 11 Uhr
in Neuhaus/Rennweg, Busbahnhof, statt. Die TeilnehmerInnen werden
aufgefordert sich anschließend um 14 Uhr der antifaschistischen
Demonstration in Sonneberg zu beteiligen.
Anetta
Kahane:
„Unter den politischen, sozialen und kulturellen umständen vieler
ostdeutscher kommunen besteht die gefahr, dass sich "national befreite
zonen" (nbz) auf dauer etablieren. Wenn wir nicht wollen, dass nbz ein
zukunftsmodell wird in Neuhaus oder anderswo, dann müssen wir endlich
mit einigen dingen aufhören und mit anderen anfangen.
Aufhören heißt: schluß mit dem heiße-kartoffel-spiel, schluß mit der
verharmlosung und verleugnung, schluß mit der behauptung, bei uns ist es
weniger schlimm als anderswo. Anfangen heißt: eine neue und bessere art
stolz zu entwickeln, weil menschen in orten wie Neuhaus den mut zeigen,
das problem von rechtsextremismus und menschenverachtung in direkter und
geduldeter form anzupacken.
Wenn solche haltung folgen hat, dann sind sie niemals bequem. und es
gibt nichts, was mehr mut erfordert, als sich auf einen langen und
unbequemen weg einzulassen. Doch wenn er dann doch ernsthaft begangen
wird, dann ist das ein echter grund stolz zu sein, denn der gründet sich
letztlich nicht auf behauptung oder verschleierung inakzeptabler
zustände, sondern auf die anerkennung von tatsachen und der kraft, aus
erfahrungen zu lernen und eine neue geschichte in diesem ort zu
schreiben. Ja, wir haben hier probleme, ja, es gibt rassismus, aber wir
wollen nicht dass es so bleibt, weil wir es nicht ertragen. und wir sind
bereit, uns der verantwortung zu stellen.
ich will nicht, dass irgend jemand der sich hier aufhält, jemals in die
situation kommt, dass er oder sie mit rassismus konfrontiert oder gar
opfer wird und hinterher erleben muß, dass sich die menschen in dem ort
nicht solidarisieren. wo so etwas die norm ist, können landschaft und
gebäude noch so malerisch sein, ein solcher ort hat jenseits der nbz
keine perspektive. er bleibt ein teil des häßlichen deutschland.
Wenn ich nach Neuhaus komme, will ich sagen können, es gefällt mir hier,
weil hier menschen leben, die rassismus als ausdruck einer krise sehen
und eines schweren erbes. wenn ich sagen könnte, hier sind wenigstens
einige oder vielleicht sogar viele, die sich damit mutig
auseinandersetzen und damit erfolg haben, dann komme ich gern und kann
guten gewissens sagen: die haben allen grund stolz zu sein.“
Die Demonstration habe zum Ziel
Menschen im Landkreis Sonneberg, die sich gegen Rechts engagieren und
oft Opfer rechter Repression und Gewalt werden, zu unterstützen und
Druck auf die Landespolitik und Sicherheitsbehörden auszuüben, damit
Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass kleine Gemeinden zu
„national befreite Zonen“ werden.
Die LAG
Antirassismus/Antifaschismus habe sich in den letzten Monaten in der
Hoffnung, dass die öffentliche Debatte, die im Sommer 2000 losgebrochen
war, dazu führen würde, dass die Politik und die Behörden sich ernsthaft
gegen Rechts engagieren, zurückgehalten.
Ein Jahr nach dem Anschlag auf die
Erfurter Synagoge am 20.4.2000 und der massiven Zunahme rechtsextremer
Übergriffe in Thüringen, müsse man zu dem Ergebnis kommen, dass mit
wenigen Ausnahmen, über die Gleichsetzung von Links- und
Rechtsextremismus, die Gefahr bagatellisiert werde und sich mehrheitlich
der „Widerstand“ auf Sonntagsreden und Straßenfesten begrenze.
Es sei dieses Verhalten, dass es
ermögliche, dass immer Regionen von Rechten dominiert werden. Neuhaus
Die Tatenlosigkeit der
Landesregierung und ihre Verweigerung schaffe für die Rechtsextremisten
die Freiräume, um rechte Denkweisen und Kultur dominant zu machen, daher
müsse diese ihre realitätsferne Verweigerung eines Landesprogramms
„Gegen Rassismus und Faschismus für mehr Demokratie! Endlich verlassen.
Die LAG kündigt an, dass in den
kommenden Monaten ihre Aktivitäten intensiviert werden. Unter anderem
werde mit Blick auf die Tatenlosigkeit der Politik und die Dominanz der
Rechten, der 11. antifaschistische Ratschlag in Gera durchführt und mit
einer bundesweiten Demonstration verbunden.
Weitere Auskünfte:
Angelo Lucifero: 0172 3605751
Nähere Infos:
http://www.lag-antifa.de. |