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Rechtspopulismus:
Die EU macht es Stimmenfängern leicht

Von Herbert Bösch, SPÖ-Europaabgeordneter

6. Juni 2002 Bereits seit Ende der 80er Jahre geht ein neues Gespenst um in Europa: das Gespenst des rechten bis rechtsextremen Populismus. Ob sie nun Le Pen (Frankreich), Bossi (Italien), Haider (Österreich), Fortuyn (Niederlande) etc. heißen - sie alle arbeiten mit fremdenfeindlichen Argumenten und Diskursen und stilisieren sich gerne als Parteien des „kleinen Mannes“.

Ihre Ziele mögen dabei durchaus unterschiedlich sein, aber ein auch für die Europäische Union (EU) entscheidendes Moment haben sie alle gemein: ob Fremde, ob die EU oder ob gesellschaftliche Minderheiten - all das ist aus ihrer Sicht immer eine Bedrohung und nie eine Chance für die Gesellschaft. Ängste davor werden aufgegriffen, verstärkt und für ihre Zwecke instrumentalisiert.

Die EU auf dem Programm der Rechtspopulisten
Grundsätzlich sind zwar die jeweils nationalen Rahmenbedingungen prägend für die einzelnen Rechts-Parteien und deren Programme - europapolitische Themen spielen in den nationalen Wahlkämpfen zumeist nur eine untergeordnete Rolle -, doch wird auch die EU als geldverschlingende Technokratie angegriffen.

Somit wird der Rechtspopulismus zum europäischen Problem und die Suche nach den Gründen des europaweit schleichenden Trends zum Rechtspopulismus sollte deshalb auch jenseits nationaler Besonderheiten erfolgen.

Unübersehbar ist in diesem Zusammenhang vor allem die europaweit wachsende Strömung einer kritischen Distanz zur Europäischen Union, die es rechtspopulistischen Parteien leicht macht, gegen ein intransparentes und technokratisches Gebilde - wie es die EU darstellt - zu punkten.

Der weitgehende Mangel an demokratischer Mitbestimmung und Transparenz der EU-Politik sowie die zunehmenden Ängste der Bürger durch den im Zuge der Globalisierung festzustellenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, ergeben eine hochexplosive Mischung von Bürger-Frust.

Vor allem auch der Trend in Richtung politischer Regionalisierung in der EU - eine direkte Folge des Machtverlusts der Nationalstaaten an die EU - begünstigt den europäischen Rechtspopulismus, der sich nicht nur als jeweils nationale Heimatschutzpartei konstituiert, sondern versucht, alle Anti-EU-Trends zu bündeln: Die Rechte als Hüterin des Einzelnen nicht nur gegenüber nationalstaatlicher Autoritäten, sondern auch gegen die supranationalen Institutionen der Europäischen Union.

EU steht für Bürokratie und Verschwendung

Verschärft wird dieses Rollenspiel durch die Tatsache, dass die Europäische Union häufig mit übermäßiger und vor allem unurchsichtiger Bürokratie und Verschwendung assoziiert wird.

Betrachtet man etwa die Art der Bürgerbeschwerden, welche im Jahre 2001 an den Europäischen Ombudsmann ergangen sind, so ist eindeutig festzustellen, dass sich die Mehrheit der angeführten Missstände auf einen Mangel an bzw. eine Verweigerung von Informationen (29%) der verschiedenen EU-Institutionen  (77% aller Untersuchungen betreffen die EU-Kommission) beziehen und somit eindeutig auf ein erhebliches Transparenzdefizit hinweisen. (Quelle: Jahresbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten 2001).

Einen weiteren Grund für die Einleitung von Untersuchungen durch den Europäischen Bürgerbeauftragten stellen „vermeidbare Verzögerungen“ (13%) in der Arbeit der verschiedenen Institutionen dar. In diesem Zusammenhang erscheint es interessant zu erwähnen, dass gerade die EU-Kommission eine äußerst schlechte Zahlungsmoral bzw. eine sehr hohe Rate von „late payments“ besitzt, was die EU selbst zu einem der schlechtesten Zahler Europas werden lässt.

Bezeichnend für die Defizite der EU-Institutionen im Umgang mit dem Unionsbürger ist auch, dass der Europäische Ombudsmann in seiner Funktion als Vertreter der EU-Bürger nicht in den Reformprozess um die Zukunftsgestaltung der EU miteinbezogen wurde bzw. seine Stellungnahme keinen Platz im Weißbuch „Europäisches Regieren“ gefunden hat. Dabei stellt sein Beitrag als Meinungsträger der Bürger der EU eine klare Selbstverständlichkeit dar, wenn man in Richtung bürgernaher EU gehen will.

Mehr Klarheit bei Steuergeldern

Was das Budget der EU anbelangt, so erscheint dieses wohl für die Mehrheit der EU-Bürger als ein undurchsichtiger Dschungel, indem man sich nur äußerst schwer ein Bild davon machen kann, wie viel man als Einzelner zur gemeinsamen Union beisteuert bzw. wie hoch der Rückfluss der EU-Gelder in die eigene Tasche ist.

Besonders wenn es um Steuergelder geht müssen Klarheit und Transparenz höchste Priorität besitzen, denn vor allem unzureichend informierte und dadurch verunsicherte Bürger sind anfällig für Agitation von rechts.

Zu zögerlich bei der Betrugsbekämpfung

Auch die Politik der EU auf dem Feld der Betrugsbekämpfung lässt sich leider nur mit den Begriffen Zögerlichkeit und Verzögerung charakterisieren. Betrügereien und Unregelmäßigkeiten (vor allem durch hinterzogene Zölle und Abgaben) stehen auf der Tagesordnung, denn der Haushalt der Gemeinschaft bietet vielfältige Möglichkeiten für Manipulationen. Das lässt sich an der drastischen Steigerung der Betrugsverdachtsfälle in den vergangenen Jahren ablesen: Im Jahr 2000 summierten sich die Betrugsverdachtsfälle auf 2,038 Milliarden Euro, 1999 waren es noch 838 Millionen Euro (Quelle: Betrugsberichte der Kommission).
Zu dieser erschreckend hohen Zahl von Unregelmäßigkeiten kommt noch eine Dunkelziffer hinzu, die wahrscheinlich ein Mehrfaches der bekannten Summe beträgt.

Das Problem hierbei ist jedoch weniger die Finanzkontrolle der EU, sondern vielmehr die ineffiziente und nicht ausreichende Aufarbeitung und Weiterverfolgung der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen in diesem Bereich. Es gilt die zur Verfügung stehenden Instrumente der Betrugsbekämpfung besser zu nutzen. Zusätzlich müssen flankierend Regelungen gefunden werden, die die Frage der Zusammenarbeit mit den nationalen Justizbehörden und der richterlichen Kontrolle der Arbeit des europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung, Olaf, klarstellen.

Außerdem sind in den Mitgliedstaaten der Union einheitliche Definitionen der zu verfolgenden Straftatbestände und gemeinsame Verfahren nötig, um den jetzigen Zustand - viele Betrügereien und Unregelmäßigkeiten bleiben ungestraft, auch wenn sie aufgedeckt werden - zu ändern. Ich erwarte dabei eine EU-Kommission, die zusammen mit dem Europäischen Parlament nun endlich Nägel mit Köpfen macht.

Europa geht spannenden Zeiten entgegen. Vor allem vor dem Hintergrund der Erweiterung der EU ist damit zu rechnen, dass nationale Themen bis hin zur offenen Fremdenfeindlichkeit in der Erweiterungsdebatte zum Vorschein kommen. Solchen Emotionen wird durch rechte Populisten öffentliche Resonanz verliehen. Dabei werden Stimmungen zu Wähler-Stimmen.

Die Europawahlen werden zur Nagelprobe

2004 finden die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Es ist nicht mehr auszuschließen, dass es zur Bildung einer breit abgesicherten rechtspopulistischen Liste kommt, die angesichts der weit verbreiteten Ressentiments große Chancen hat, ganz vorne mitzumischen.

Künftig müssen die EU-Bürger mehr Einblicke in die Strukturen, Entscheidungs- und Verfahrensweisen der Union erhalten. Die Politik und vor allem die EU-Politik muss für den Bürger verständlicher, transparenter und zugänglicher werden. Unklarheit schafft Unsicherheit, welche die Bürger anfällig für Agitation und fremdenfeindliche Argumente werden lassen. Nur Klarheit und Transparenz können rechtspopulistischen Agitationen den Nährboden zu entziehen.

Die Verunsicherung und Unzufriedenheit der Wähler dürfen nicht ignoriert werden. Gefragt sind Konzepte und Programme, die den Wähler im Blick haben und nicht den populistischen Akteuren in die Hände arbeiten.

Der Österreicher Herbert Bösch sitzt seit 1995 für die SPÖ im Europäischen Parlament. Der 47-Jährige ist Mitglied des Ausschusses für Haushaltskontrolle sowie des Petitionsausschusses.

hagalil.com 07-06-02

 


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