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Ein Skandal in Perpignan:
Robert Brasillach, der Denunziant, der heute noch "überall ist"

Von Gudrun Eussner

Wenn man in Frankreich an frühen militanten Antisemitismus denkt, fällt einem die Affäre Dreyfus ein, da der jüdische aus dem Elsaß stammende Offizier Alfred Dreyfus 1896 des Landesverrats geziehen wird. Obgleich es ziemlich bald klar ist, daß ein anderer die Tat begangen hat, dessen Name obendrein bekannt ist, dauert es bis zum Jahre 1906, bevor Alfred Dreyfus nach zwölfjähriger Gefangenschaft und Verbannung rehabilitiert wird. Das hindert die Gegner Dreyfus' nicht, in ihrem Haß fortzufahren.

Die 1899 vom Politiker und Journalisten Charles Maurras gegründete royalistische "Action française", die sich in der Affäre Dreyfus entwickelt und festigt und eine gleichnamige Zeitschrift herausgibt, ist recht im Sinne des jungen, 1909 in Perpignan geborenen Dichters, Schriftstellers und Theaterkritikers Robert Brasillach. Er engagiert sich wie Charles Maurras, Maurice Barrès, und Leon Daudet, Sohn von Alphonse Daudet, zunächst in einem christlichen antiliberalen, autoritären Nationalismus. Charles Maurras, seit 1938 Mitglied der Académie française, ist gegen die Republik sowie gegen die Engländer, die Deutschen und vor allem gegen die Juden. Für ihn ist Dreyfus das Symbol für alles Übel, das nach der französischen Revolution über Frankreich hereingebrochen ist.

Das alles beginnt lange, bevor in Deutschland Adolf Hitler die Macht übergeben wird. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und besonders in den 30er Jahren tun sich dann zahlreiche französische Intellektuelle, Dichter, Schriftsteller und Journalisten, wie Louis Ferdinand Céline, Pierre Drieu la Rochelle, Henri Béraud, Charles Maurras und eben Robert Brasillach besonders hervor in zügellosem Antisemitismus.

In den 30er Jahren ist man in Frankreich "national" und "sozial", Linke und Rechte schließen sich zusammen gegen den Materialismus, für einen Dritten Weg zwischen und gegen Liberalismus und Marxismus, zum Nationalsozialismus. Die demokratische Republik wird zum Feind erklärt. Der Kampf gegen die kapitalistische Demokratie und gegen alle, die von ihr leben, bis hin zu den Kommunisten, wird aufgenommen. Schon damals handelt es sich um einen Kampf gegen das "Einheitsdenken", es wird nur noch nicht so bezeichnet. Ein solcher Ansatz führt direkt in den Faschismus. Wenn sich dieser auch extrem gewalttätig gegen den Kapitalismus, gegen die Konzerne, die Banken, die Plutokratie in allen ihren Formen richte, so rühre er weder das Privateigentum noch den individuellen Profit an, schreibt Zeev Sternhell. Auch Robert Brasillach schreibt an gegen "diese furchtbare Ordnung dieser furchtbaren kapitalistischen Gesellschaft." Man müsse nicht das Privateigentum verantwortlich machen und es abschaffen, sondern man müsse die Herrschaft des Geldes brechen. (1)

"Je suis partout", Ich bin überall, heißt die faschistische antisemitische Zeitschrift mit der größten Verbreitung in Frankreich. Herausgeber und Chefredakteur (1937-1943) ist Robert Brasillach, der 1935 vom Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP als überzeugter Faschist zurückkehrt. Für ihn ist der Faschismus Ethik und Ästhetik gleichermaßen, "eine universelle Revolution", deren Anhänger "eine reine Nation, eine reine Rasse wollten. Sie liebten oft gemeinsam in diesen immensen Zusammenkünften von Männern zu leben, wo die in einen Rhythmus gebrachten Bewegungen der Armeen und Massen wie das Schlagen eines riesigen Herzens anmutet. Sie glaubten nicht an die Versprechungen des Liberalismus, an die Gleichheit der Menschen, an den Willen des Volkes ... Sie glaubten nicht an die Gerechtigkeit, die sich in Worten ergießt, aber sie riefen die Gerechtigkeit, die durch Kraft regiert. Und sie wußten, daß aus dieser Kraft die Freude geboren werden kann."

Aus den aus Hitlerdeutschland mitgebrachten Eindrücken vom "mythischen und poetischen Aspekt des Faschismus", vom "Mythos der Zeremonie", von diesem "Imperativ der nationalen Einheit", der "überraschenden Mythologie einer neuen Religion" und der "anhaltenden Predigt an die Jugend zu Treue, Opfer und Ehre", vom "heiligen Ort (Nürnberg) des nationalen Mysteriums", dieser "Poesie" (2) ergibt sich konsequent seine alltägliche journalistische Tätigkeit.

Sie besteht für ihn und seine Mitarbeiter darin, in seiner Zeitschrift gegen die liberale Demokratie, die bürgerliche Gesellschaft, den Marxismus und gegen die Juden anzuschreiben. Um die Zivilisation zu retten, wollen sie der Nation eine neue politische und soziale Ordnung auferlegen und sie mit einem neuen Geist erfüllen. Konkret äußert sich das in Verleumdungskampagnen gegen politische Gegner, Hetze gegen die Juden und Aufforderung zum Mord an mißliebigen Personen. Als im April 1939 das Gesetz Marchandeau Angriffe der Presse gegen religiöse und soziale Gruppen unter Strafe stellt, bedient Robert Brasillach sich des Schlüsselwortes "Affen", um das Gesetz zu umgehen: "Man geht ins Theater? Der Saal ist voll mit Affen ... Die Affenweibchen, die sie begleiten, sind mit Pelzen und Perlenkolliers behangen, und sie maunzen fast wie Menschen ... Das, was wir Antisimietismus (lesen Sie bitte gut, bitte ich Sie) nennen werden, wird täglich notwendiger ..." (3)

Ansonsten ist Robert Brasillach ein ausgezeichneter Kenner der klassischen Literatur, er übersetzt beispielsweise Sappho, und er schreibt freundliche Bücher mittelmäßiger Qualität mit Titeln wie "Der Funkendieb", "Der Vogelhändler", "Die sieben Farben", "Wie die Zeit vergeht" oder auch "Geschichte des Kinos", letzteres gemeinsam mit seinem Schwager Maurice Bardèche. Zeev Sternhell hält Robert Brasillach trotz seiner Qualitäten nicht für einen Erben der großen Dichter und Denker Frankreichs im Zwanzigsten Jahrhundert. Dennoch werden seine Werke heute noch beim Verlag Hachette herausgegeben, der zum französischen Rüstungskonzern Lagardère gehört. Es besteht offensichtlich ein Bedarf. Robert Brasillach schreibt auch über seine Heimat, das Roussillon. Dieses und andere seiner Werke liegen in seiner Heimatstadt Perpignan jederzeit in den Buchhandlungen aus. Acht seiner Werke kann man in der Online-Buchhandlung des Front National erwerben. (4) Er schreibt, schon vor dem Krieg, Erinnerungen an seine Jugend, wie er zur extremen Rechten gekommen und wie er der Faszination des Nationalsozialismus verfallen ist. Die Ästhetik einer Leni Riefenstahl und eines Arno Breker, die Huldigung an die virile Jugend, beeindruckt ihn, den Homosexuellen, ganz besonders. Soweit zur angeblich politisch wertfreien Wirkung der Kunst der Leni Riefenstahl und ihresgleichen.

1938 trifft Robert Brasillach mit dem Dichter Jean Anouih zusammen, den er sehr beeindruckt. Jean Anouilh wird sich später für seine Begnadigung einsetzen. "Le voici pour toujours", schreibt er über ihn; etwa "Hier ist er - für immer!" (5)

Zur Zeit der deutschen Besatzung ist es um Robert Brasillach vollends geschehen. Er beginnt ein Verhältnis mit dem Kulturattaché der Deutschen Botschaft Karl-Heinz Bremer und kollaboriert, in dem er im "Je suis partout" Regierungsmitglieder der Dritten Republik, Widerstandskämpfer, Kommunisten, Sozialisten sowie versteckte Juden mit Namen und Adressen denunziert. Wenn sie nach einer Weile noch immer nicht verhaftet sind, faßt er nach und beschwert sich. Er stiftet seine Mitarbeiter an, wie den Schriftsteller Lucien Rebatet, der sich im August 1942 auf Robert Brasillach beruft, um einen politisch unliebsamen Mann beim Erziehungsministerium zu denunzieren, einen Schuldirektor. Dieser sei gegen die Regierung Laval, verherrliche die Gaullisten und kommunistischen Terroristen und sei ein Judenfreund, was zu der Zeit für den Denunzierten tödlich enden kann. Um seiner Denunziation Nachdruck zu verleihen, droht er in dem Schreiben indirekt an, daß Robert Brasillach und er den Fall demnächst auch in der Zeitschrift veröffentlichen könnten: "Wir geben Ihnen die Machenschaften dieser Person zur Prüfung, bevor wir den Fall mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln an die Öffentlichkeit bringen." (6)

Robert Brasillach wird mit Kriegsanbruch eingezogen und im Juni 1940 im OFLAG VIa, Soest, interniert, wo er ein Jahr bleibt. Auf Anforderung des Marschalls Philippe Pétain wird er von den Deutschen im Juni 1941 freigelassen. Man braucht ihn für propagandistische Tätigkeit dringend in Frankreich. Die französischen Offiziere des Offizierslagers OFLAG VIa, die ich vor acht Jahren für eine andere Arbeit interviewe, erinnern sich gerührt an den liebenswürdigen Robert Brasillach, der auswendig die griechischen und französischen Klassiker beherrscht und Lesungen und Theaterabende im Lager veranstaltet. Sie sind traurig, als er im Juni 1941 das OFLAG verläßt.

Er ist bis 1943 wieder Herausgeber und Chefredakteur von "Je suis partout" und reist mit deutschem Militär in die Sowjetunion, an die Front, wo er die Division Charlemagne besucht, Franzosen, die mit den Nazideutschen gegen die Rote Armee kämpfen. Betreut wird er vom deutschen Literaturzensor in Paris, Leutnant Gerhard Heller. Anschließend schreibt er für andere Publikationen, z.B. für "Révolution nationale", noch deutschenfreundlichere Artikel als vorher und arbeitet als Dichter. Am 25. September 1942 schreibt er: "Man muß die Juden ausrotten und die Kinder nicht schonen." (7)

Bei der Befreiung wird er verhaftet. Er geht nicht, wie beispielsweise Louis Ferdinand Céline, der nach dem Krieg begnadigt wird, mit der Vichy-Regierung nach Sigmaringen, in Deutschland, sondern er hält in Frankreich aus. Er wird ins Gefängnis von Fresnes eingeliefert, erwartet dort seinen Prozeß und schreibt Gedichte.

General Charles de Gaulle geht gegen die Verräter Frankreichs hart und schnell vor. Als erster wird der Herausgeber der Zeitschrift "Aujourd'hui", Heute, Georges Suarez im Oktober 1944 verurteilt und am 9. November hingerichtet. 1944 findet ein Prozeß gegen den politischen Direktor der antisemitischen Nazi-Zeitschrift "Gringoire", von 1928 bis 1943, Henri Béraud statt. Er wird 1944 wegen Landesverrats zum Tode verurteilt aber von General Charles de Gaulle begnadigt. (8)

Dann beginnt, im Januar 1945, der Prozeß gegen Robert Brasillach. Hingerichtet wird er am 6. Februar 1945. Sein Gnadengesuch an General Charles de Gaulle wird von diesem abgelehnt. Sein Verteidiger ist Jacques Isorni, der spätere Verteidiger von Philippe Pétain und Begründer einer Vereinigung zum Gedenken an Marschall Philippe Pétain. Der Verteidiger "beugte sich andächtig über die Leiche, um mit einem Taschentuch eine große Lache Blutes aufzufangen, " wird aus dem Buch von Alice Kaplan: Intelligence avec l'ennemie. Le procès Brasillach", Spionage für den Feind. Der Prozeß Brasillach, zitiert. Jacques Isorni tut in dem Prozeß alles, um zu zeigen, daß Robert Brasillach ein großer Schriftsteller ist. Man möge nicht die literarische Zukunft Frankreichs mit ihm umbringen. (9)

2001 wird das Buch von Alice Kaplan bei Gallimard veröffentlicht. Es bedarf einer Professorin für französische Literatur aus den USA, um sich des Falles des französischen Verräters Robert Brasillach anzunehmen. Zwar gibt es schon Biographien, aber sie alle beschönigen die Taten Robert Brasillachs. (10) Alice Kaplan sagt es in einem Interview mit Alain Nicolas von der Humanité deutlich: wegen Spionage und Landesverrats wurde er hingerichtet und nicht seines literarischen Werkes wegen, das, nebenbei bemerkt, mittelmäßig sei. Nicht als Dichter und Schriftsteller habe er denunziert, aufgefordert, Menschen umzubringen oder sie einzusperren. Er sei nicht seiner Meinung wegen hingerichtet worden, sondern wegen seiner Taten. Sie schreibt über den Prozeßverlauf, über die Geschworenen, von denen Jacques Isorni behauptet, es wären nur Kommunisten, was eine Verleumdung aus den Kreisen um den Schriftsteller Jean Paulhan ist, der sich wie Jean Anouilh und François Mauriac für die Begnadigung von Robert Brasillach einsetzt. François Mauriac setzt sich ein, obgleich er selbst von Robert Brasillach im Kriege denunziert wird. Die Geschworenen sind vier Widerstandskämpfer, von denen einer Kommunist ist, ein Elektriker, der später Bürgermeister von Champigny wird. Der Staatsanwalt Marcel Reboul ist ein Freund des Verteidigers Jacques Isorni. Er ist sein Mieter, und ihrer beider Ehefrauen gehen am Morgen des Prozesses gemeinsam in die Kirche, um für Robert Brasillach zu beten. (11)

Der Revisionismus zu den Verbrechen des Robert Brasillach beginnt unmittelbar nach Kriegsende, angeführt vom Schwager des Hingerichteten, dem Herausgeber der Zeitschrift "Défense de l'Occident" Maurice Bardèche, bis dahin Professor für Literatur. Er wird Chef der neo-faschistischen Bewegung. Er sei auf Grund der Verurteilung seines Schwagers zum Tode in die Politik eingetreten. Dieser sei umgebracht worden, weil er Herausgeber des Zentralorgans der kollaborationistischen Presse Frankreichs "Je suis partout" gewesen sei. Das ist eine Lüge, denn Maurice Bardèche schreibt bereits vor dem Kriege in "Je suis partout". 1947 rechtfertigt er in einem Brief an François Mauriac die Kollaboration. Seine Schriften sind von außergewöhnlich brutalem Rassismus und Antisemitismus geprägt. Er schreibt 1948 ein Buch, in dem er die Nazis von ihren Verbrechen freispricht. Maurice Bardèche ist eher als Paul Rassinier, dessen Werke er 1962 und 1964 herausgibt und dessen Grabrede er hält, der Begründer des Negationismus. (7) (12)

Mit Maurice Bardèche beginnen die Lügen und Legenden über Robert Brasillach, und sie enden nicht mit dem Buch von Alice Kaplan. Maurice Bardèche stirbt im September 1998. Seine Witwe, die Schwester von Robert Brasillach, sieht im Mai 2002 die Angelegenheit so: "Aber inzwischen, da mit de Gaulle während dieser Zeit, die man 'Libération', Befreiung nennt, alle die Verfolgungen gekommen sind: diejenigen, die man gestern noch Terroristen nannte, sind zu Patrioten geworden, zu Helden. .." (13)

Mit dem Wiedererstarken der extremen Rechten wächst der Mythos des "Märtyrers" Robert Brasillach. Schon 1946 sammeln sich die Reste der "Action française", und Pierre Boutang gründet 1947 die Revue "Aspects de la France". Mit dem Algerienkrieg gibt es dann weiteren Aufschwung in der Legendenbildung um Robert Brasillach. Maurice Bardèche, der "Ordre Nouveau" und seine Gründung, der Front National tun ein übriges. Bernard-Henry Lejeune, vom Cercle d'études, des relations publiques, économiques et sociales (CERPES), Studienzirkel für öffentliche, wirtschaftliche und soziale Beziehungen, fordert eine "weiße Freimaurerloge, die ausgewählte Mitglieder aus ihrer schwachen in eine starke wirtschaftliche Position" zu bringen habe. In seinem Bulletin "Contre-Attaque", vom September 1987, bezieht er sich dabei direkt auf Robert Brasillach. Die "rechtsextremen Anarchisten" um Michel-Georges Micberth fühlen sich ebenfalls von Robert Brasillach vertreten. Sie lehnen die Demokratie ab und schwören auf die Ungleichheit, genau wie die bis heute aktive royalistische "Restauration nationale", politische Erbin der "Action française". Für deren Anhänger um den Herausgeber der Zeitschrift "Aspects de la France" besteht ein "Mythos der 30er Jahre", der Aufruhr der Jugend, verkörpert durch Robert Brasillach. (14) Selbstverständlich bezieht sich keiner der Rechtsextremen auf die Verbrechen des Robert Brasillach.

Das alles hält bis heute an. Da nützt auch keine Aufklärung durch Alice Kaplan und nicht der Tod des Maurice Bardèche.

Die aktuelle Affäre Brasillach in Perpignan

Diese Affäre setzt sich zusammen aus zwei Teilen, die sich zum Schluß wieder zusammenfügen.

Der 1839 gegründete Toulouser Verlag Privat hat es sich zur Aufgabe gemacht, repräsentative Bände über die französischen Verwaltungsbezirke herauszugeben. Ein Band, über die Haute-Garonne, ist im September 2002 bereits erschienen. Das Prinzip des Verlages ist dabei, jeweils einen Sponsor zu finden, um die kostspielige Ausgabe finanzieren zu können. Die linke Majoritätsfraktion des Generalrats des Verwaltungsbezirks Pyrénées-Orientales, der östlichen Pyrenäen, unter Führung seines Präsidenten stimmt am 24. Juni 2002, noch bevor eine einzige Zeile geschrieben ist, dem Ankauf von 2000 Exemplaren zur Verteilung in Schulen, zum Preis von 69 194 Euro zu, pro Buch also 34,60 Euro. Der Ladenpreis soll 45 Euro betragen, was einen Rabatt von ca. 22 Prozent bedeutet. Jede durchschnittliche Buchhandlung bekommt einen Rabatt von 30-35 Prozent für sehr viel kleinere Bestellungen. Das Buch ist für den Verlag also schon vor seinem Erscheinen, Ende 2002, rentabel. Wenn es sich dann noch gut verkaufe, sei es ein Jack Pot, schreibt ein Bürger von Perpignan auf seiner Web Site Perpignan-toutvabien.com.

Die Opposition enthält sich der Stimme, da ihr zu wenige Informationen über das Projekt vorliegen, und der Präsident sich weigere, diese zu geben.

Das Projekt wird von einem Mitarbeiter und Vertrauten des Präsidenten unter Mitarbeit eines spezialisierten Journalisten koordiniert. Es gibt keinen Wissenschaftlichen Beirat, der die Qualität der Ausgabe überwacht. Dies wird von einigen Autoren moniert. Der Projektkoordinator ist nicht unumstritten als Fachmann für die Ausgabe. Die Zeit für die Fertigstellung des Bandes wird als viel zu kurz angesehen. Der Beitrag eines dem Präsidenten nicht genehmen kompetenten Gewerkschafters, der von den Koordinatoren aufgefordert wird, über die Landwirtschaft des Bezirkes zu schreiben, fliegt auf Grund eines Vetos des Präsidenten angeblich wegen Platzmangels kurzfristig aus dem Band heraus. (15)

Soweit die eine Affäre. Die nächste ist noch schlimmer. Sie betrifft die Rehabilitierung des Verbrechers Robert Brasillach.

Unter dem Titel "Schreiben im Roussillon" werden eine Reihe von Schriftstellern des Bezirkes aufgeführt und kurz besprochen. Unter diesen sind zwei international bekannt. Der eine ist der Nobelpreisträger 1985 für Literatur Claude Simon. Er ist einer der dezidiertesten Vertreter des Nouveau Roman. Der Nobelpreisträger, Jahrgang 1913, lebt in Salses. "Die spanische Revolution, der Zweite Weltkrieg, die Kriegsgefangenenlager, die Ausbrüche, die Krankheit sind die Ereignisse, die die Fiktion des Claude Simon nähren", seine Werke hätten die moderne französische Literatur verändert, schreibt das französische Außenministerium auf seiner offiziellen Seite. (16)

Der andere ist der Kollaborateur Robert Brasillach, der bei uns in Deutschland, wenn überhaupt jemand von ihm gehört hat, eher berüchtigt als berühmt ist. Während dem Nobelpreisträger ein Text von 346 Zeichen gewidmet wird, andere, international gänzlich unbekannte Schriftsteller 450 oder 583 Zeichen wert sind, widmet der Autor dem Robert Brasillach 1 489 Zeichen. Im Text heißt es unter der Überschrift "Das Pantheon der Roussilloner Schriftsteller", wobei das Pantheon in Paris unter dem Motto "Den großen Männern - die dankbare Republik" steht:

"Robert Brasillach wird einer der umstrittensten Schriftsteller des Roussillon, wenn nicht des Hexagon bleiben. Aus dem Leben des 1909 in eine katalanische Familie geborenen und, im Alter von 35 Jahren, Opfer eines der Dramen der Säuberung gewordenen Robert Brasillach behält man oftmals nur seinen Übergang, 1939, an die Spitze der Pariser Wochenzeitschrift Je suis partout. Brasillach ist hinter seinem Image verschwunden. Dennoch ist er der Autor eines warmherzigen Werkes, von dem für immer Romane bleiben werden, wie: Der Dieb der Funken, Das Kind der Nacht, Der Vogelhändler, Sechs Stunden zu verlieren und seine Anthologie der griechischen Poesie."

Er schreibt weiterhin, daß Robert Brasillach ein überzeugter Anhänger des Faschismus gewesen sei, und daß seine Sympathie für das Naziregime und sein Engagement in der Kollaboration für viele seiner Bewunderer als ein Irrtum und eine Tragödie erlebt werde. Er schreibt noch vieles mehr ....

Der Autor dieses Textes ist Leiter des öffentlichen Centre Méditerranéen de Littérature, mit Sitz im Geburtshaus des Robert Brasillach. (17)

Die Affäre weitet sich aus mit der Veröffentlichung eines Email-Wechsels zwischen zwei Professoren der Perpignaner Universität, einer davon ihr ehemaliger Präsident, der Claude Simon für oftmals unlesbar, und damit wohl für nicht so wichtig erklärt, und der dokumentiert, daß Robert Brasillach doch längst rehabilitiert sei. Er verweist auf die Taschenbuchausgaben beim Verlag Plon und auf zwölf Zitate des Autors im Larousse. Heute würde Robert Brasillach vielleicht die Ränge des am meisten "nationalitären" Regionalismus anreichern. Mit dieser Vokabel umgeht der Email-Schreiber den Begriff "nationalistisch", denn dann wäre er auf dem rechten Wege, was Robert Brasillach angeht. Diesen Professor scheint es nicht zu stören, daß ein verurteilter und hingerichteter Nazi-Kriegsverbrecher "längst rehabilitiert" ist.

Sein Email-Partner sieht das etwas anders, was einen hoffen läßt. Er läßt die Fürsprache des selbst rechtsextremen Jean Paulhan nicht gelten. Er verweist auf das Buch von Alice Kaplan und auf die Web Site der Freunde des Robert Brasillach. Er ruft in Erinnerung, daß Robert Brasillach nicht als Schriftsteller, nicht seines mittelmäßigen literarischen Werkes und nicht seiner Meinung wegen verurteilt wurde, sondern weil er denunzierte und zu Verhaftungen und zum Mord aufrief. Ihn als "Opfer der Säuberung" darzustellen und an die Geschichte zu appellieren, die ihn rehabilitieren werde, sei nichts anderes als Revisionismus. Robert Brasillach habe von Aktionen gesprochen und nicht von Literatur, als er im "Je suis partout" Namen und Adressen von Juden, Kommunisten und Widerstandskämpfern veröffentlicht habe. (18)

Inzwischen weitet sich der Skandal aus. Die lokale Wochenzeitschrift der kommunistischen Partei "Le Travailleur Catalan" schaltet sich dazu. Die Lokalzeitung "L'Indépendant" berichtet nichts. Wann wird man die Frage stellen, wieso aus Steuermitteln 69 194 Euro ausgegeben wurden, um 2000 überteuerte Bücher mit solchem revisionistischen Text anzuschaffen: Wer machte was? Welche Rolle spielt der Generalrat? Wieso kann ein solcher Artikel erscheinen?

Anmerkungen:
(1) Zeev Sternhell: Ni gauche ni droite. L'idéologie fasciste en France. Troisième édition, Bruxelles 2000, page 347 (Weder links noch rechts. Die faschistische Ideologie in Frankreich. Dritte Auflage, Brüssel 2000, Seite 347); Die Parallelen zur Ideologie von ATTAC sind erschreckend.
(2) Robert Brasillach: Notre avant-guerre (Unsere Vorkriegszeit), Plon 1941, zitiert bei Zeev Sternhell, a.a.O., Seite 402
Einzelne Exemplare der Zeitschrift kann man heute noch für teures Geld erwerben. Siehe dazu: Rubrique Politique - Histoire - http://www.journaux-collection.com

(3) Je suis partout, 31. März 1939 Zitiert in: L'antisémitisme avant la guerre
http://www.educreuse23.ac-limoges.fr/loewy/realisations/enfants/avvichy.htm
Im Französischen bedeutet la guenon außer Affenweibchen auch häßliches Frauenzimmer.
(4) Zeev Sternhell, a.a.O., Seite 472
Front National. Boutique - http://www.frontnational.com/boutique/boutique.pdf
(5) Biographie de Jean Anouilh (1910-1987) - http://www.alalettre.com/anouilh-bio.htm
(6) Doc 5 : Une lettre de dénonciation " ordinaire ". MORAL EN VALLOIRE, le 19 août 1942 Archives Nationales, inédit. http://perso.wanadoo.fr/arkham/thucydide/lycee/bac/devoircollabo/devcollaborationfrce.html
(7) Les amis de Rassinier: Maurice Bardèche.
http://www.phdn.org/negation/rassinier/bardeche.html
(8) Henri Béraud (1885 - 1958)
http://www.imec-archives.com/fonds/ficheauteur1.asp?num=39
(9) Forum des livres, sur la deuxième guerre mondiale.
http://livresdeguerre.free.fr/forum/contribution.php?index=353
Alice Kaplan: Intelligence avec l'ennemi. Le procès Brasillach. Gallimard 2001.
(10) Siehe dazu die Web Site der Freunde des Robert Brasillach - http://www.brasillach.com
(11) Littérature. Alice Kaplan rouvre le dossier de la Collaboration et de l'exécution de Robert Brasillach. L'Humanité, 17 janvier 2002
http://www.humanite.presse.fr/journal/2002/2002-01/2002-01-17/2002-01-17-059.html
(12) Le cas Rassinier. Stalinien, déporté, négationniste...
Nouvel Observateur no. 1788, 11 février 1999 http://frigorix.sdv.fr/nouvelobs/archives/voir_article.cfm?id=3405&
Maurice Bardéche: le pére spirituel de nombreux rebelles. Les 4 Vérités, Sommaire no 186/1998
In der Zeitschrift "Défense de l'Occident" schreiben Jean Anouilh, Marcel Aymé, Jacques Benoist-Méchin, Georges Blond, Antoine Blondin, Bernard de Fallois, Jacques Isorni (der Verteidiger von Robert Brasillach), Marcel Jouhandeau, Roland Laudenbach, Jacques Laurent, Henri Massis, Thierry MauInier, Roger Nimien Jacques Perret, Louis Rougier, Michel de Saint-Pierre, Paul Sérant....
Gianfranco Fini, vom italienischen faschistischen MSI ist einer seiner Schüler.
http://www.les4verites.com/les4verites/lesnumeros/4verites186.htm
(13) Interview de Suzanne Bardèche, Mai 2002. Amis de Robert Brasillach, http://www.brasillach.com/sommaire.htm
Dort ist auch eine Liste der Unterstützer Robert Brasillachs und des Freundeskreises veröffentlicht. Zahlreiche Mitglieder des Front National, z.B. Bernard Antony, sind darunter.
(14) Christophe Bourseiller: La Nouvelle extrême droite. Éditions Rocher, 2000
Siehe dort im Namensverzeichnis unter "Robert Brasillach"
Michel-Georges Micberth, sa vie, son œuvre - http://www.micberth.com
(15) Encyclopédie des Pyrénées-Orientales. Chronique d'une catastrophe annoncée, par Fabrice Thomas, 12 janvier 2003 - http://www.perpignan-toutvabien.com
(16) Claude Simon. Ministère des Affaires étrangères - Filmothèque
http://www.france.diplomatie.fr/culture/france/cinema/documentaires/filmer.fr/litterature/
entretiens/04.html
(17) ENCYCLOPÉDIE DES PYRÉNÉES ORIENTALES. André Bonet réhabilite le nazi Brasillach - http://www.perpignan-toutvabien.com
(18) Affaire Brasillach. Des universitaires entrent dans le débat.
http://www.perpignan-toutvabien.com
Dort weitere Beiträge im Dossier Robert Brasillach

hagalil.com 19-01-03

 


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