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"Sie haben mir das schönste Geschenk meiner Karriere versaut":
Brigitte Bardot, die Regenbogenpresse und der gemütliche Faschismus

Bernhard Schmid
Jungle World, 25.06.2003

Die Regenbogenpresse tobt: Wie kann man ein Buch öffentlich kritisieren, das von einem nationalen Symbol ­ und anscheinend nicht von einem verantwortungsfähigen Individuum ­ verfasst worden ist? Noch dazu, wenn es einige Wochen lang die Bestsellerlisten anführt, mit 120.000 im Inland verkauften Exemplaren binnen eines knappen Monats?

Am 7. Mai 03 erschien im Verlag Le Rocher das jüngste Buch der Ex-Schauspielerin Brigitte Bardot unter dem Titel "Un cri dans le silence" (Ein Schrei in der Stille). Nun konnte man auf einiges gefasst sein, denn seit einigen Jahren ist bekannt, dass das frühere Sexsymbol mittlerweile die Tiere den Menschen vorzieht. Nein, nicht, dass sie die Zoophilie praktizieren würde: Auf dem Flucht vor dem Publikumsrummel hat die frühere Traumfrau so manches Kinobesuchers der prüden Fünfziger Jahre ihr Herz für die notleidende Kreatur entdeckt. An der Spitze der nach ihr benannten Tierschutzstiftung setzt sie sich eifrig für in der Urlaubssaison ausgesetzte Hunde und andere vierbeinige Freunde ein. So weit, so gut ­ wenn da nicht die Kehrseite wäre: Die Menschen verachtet sie zugleich umso mehr, jedenfalls viele von ihnen. Bereits Mitte der Neunziger Jahre machte "BB" durch rassistische Ausfälle auf sich aufmerksam, zu denen das Schächten von Schlachttieren - wie muslimische und jüdische Menschen es praktizieren - ihr Anlass bot. Dass sie seit 1992 mit einem rechtsextremen Politiker namens Bernard D'Ormale in vierter Ehe liiert ist, hat ihre Ideen nicht unbedingt verbessert.

Was sie nun aber zwischen zwei Buchdeckel presste, übertrifft alles, was man bisher bereites von der ehemaligen Protagonistin von "Le Mépris" (Die Verachtung) des Jean-Luc Godard gewohnt war. Denn nunmehr setzt sie zum Rundumschlag an. Natürlich gibt es erneut abfällige Bemerkungen über "das Menschengeschlecht" im allgemeinen und die "muslimischen Invasoren" im Besonderen. Aber BB wettert auch gegen die "hauptberuflichen Arbeitslosen", diese faulen nein, nicht faulen Schweine, denn Schweine liebt die Autorin im Gegensatz zu Menschen ohne Broterwerb ; sie berichtet ausführlich von den ihren (Marcel und Rosette heißen die rosafarbenen Lieblinge). Warum sollte jemand auch etwas für Menschen in Armut übrig haben, die ausführlich erzählt, wie sie in einem teuren Restaurant einen Hummer bestellte... um dem armen Tier die Freiheit zu schenken.

Homosexuelle und pädophile Kinderschänder werden von ihr miteinander gleichgesetzt. Sans papiers ("illegale" Einwanderer, die um einen gesetzlichen Aufenthaltsstatus kämpfen) besetzen ihr zufolge Kirchen "und verwandeln sie in menschliche Schweineställe" - die tierischen Schweineställe zieht sie vor -, und Lehrer "unterrichten unrasiert, in speckigen Hemden und dreckstarrenden Jeans" vor "Drogendealern, heranwachsenden Terroristen und Großverbrauchern von Präservativen". Den Rest kann man sich eigentlich getrost schenken. Nur wenige Personen des zeitgenössischen Frankreich finden Gnade vor ihren Augen: Die Schauspielerin Sophie Marceau ­ vielleicht glaubt BB, sich in ihr wiederzuerkennen ­ und ein gewisser Jean-Marie Le Pen, Parteifreund des werten Gatten, "der seinen Ideen treu bleibt und sich nicht scheut, gegen die Strömung zu schwimmen".

Der Zufall wollte, dass die Autorin am Tag der Erscheinens von "Un cri dans le silence" zur Aufzeichnung einer Fernsehsendung eingeladen war, die fünf Tage später ausgestrahlt wurde. Und so fand sie sich am 7. Mai im Studio des jungen Starinterviewers Marc-Olivier Fogiel wieder, der seine Sendung "Man kann nicht allen gefallen" produzierte. Fogiel hatte in letzter Minute vom bevorstehenden Erscheinen ihres Buches erschienen und fühlte sich in der Zwickmühle, da er keine Werbung dafür betreiben mochte. Er entschied sich für einen Kompromiss: Die erste Hälfte seiner Sendung widmete er ­ wie geplant ­ dem "Mythos BB", mit geladenen Studigästen wie dem Freund und Kollegen der Ex-Schauspielerin, Alain Delon. Nur am Ende der Sendung stellte er dann ein paar kritische Fragen zu dem Buch ("Aber Homosexuelle und Pädophile sind doch nicht dassselbe?") Bardot wollte erst nicht darüber sprechen ­ das sei einer literarischen Sendung vorbehalten, als handele es sich um ein Meisterstück der Literatur ­ und tobte am Ende: "Sie haben mir das schönste Geschenk meiner Karriere versaut!"

Seitdem kommt die Regenbogenpresse nicht zur Ruhe. "Schande über Sie, Monsieur Fogiel!" titelt das Intelligenzblatt France Dimanche ­ eine Art Pendant zur Neuen Revue - Ende Mai 03 auf der Eins. Und die Fernsehbeilage des Boulevardblatts France Soir lässt Mitte Juni gar Brigitte Bardot selbst zur Affäre zu Wort kommen, hinter der Titelseite: "Bardot: Danke, Ihr gebt mir Kraft zum Weitermachen!" Das richtet sich an die ZuschauerInnen, die ­ glaubt man der Regenbogenpresse ­ waschkörbeweise Protestbriefe an den Sender FR3 geschickt hätten. 20.000 Briefe will France Dimanche erhalten haben, davon "96 Prozent" zur Verteidigung der Altschauspielerin. Dabei, so wird stehts betont, gehe es gar nicht um den Inhalt, sondern darum, dass man " so " nicht mit einem nationalen Symbol umgehe. Aufmerksame Beobachter stellen jedoch einen klaren Unterschied in den Reaktionen fest : Empört reagieren - so konstatierte die linksliberale Presse - überwiegend Leute von 50 Jahren aufwärts, während die Jüngeren meist indifferent bleiben. Wenigstens eine gute Nachricht. Für Erstere stellt die Bardot noch so etwas wie ein Symbol (sei es von der Befreiung der extremen Prüderie, wie sie vor Anfang der 70er Jahre verbreitet war, sei es der französischen Nation in der Welt), für letztere ist lediglich ein Altstar unter anderen. Es ist ein anderes Frankreich, das sich da zu Wort meldet, als jenes, das in den vergangenen zwei Monaten streikte und demonstrierte. Dieses, das der jungen LehrerInnen etwa, ist um seine kollektive Zukunft besorgt, aber Jenes lässt seinen Frust bevorzugt vor der Glotze ab und begnügt sich mit der Bildung, welche die Regenbogenpresse ihm verschafft.

Die rechtsextreme Presse ihrerseits will da natürlich nicht nachstehen, und hängst sich an den Zug einfach dran. "Sie hat die Wahrheit gesagt", titelte die FN-Wochenzeitung "National Hebdo" (NH) am 15. Mai 03 auf ihrer Seite Eins, um fortzufahren: "Das neue Buch von Brigitte Bardot ist ein französischer Schrei, ein schmerzlicher Aufschrei gegen den Niedergang Frankreichs." Die rechtsextreme Wochenzeitung "Minute" (die eine Scharnierfunktion zwischen dem FN und dem rechten Flügel der Konservativen einnimmt) vom 31. Mai 03 schlagzeilt auf ihrer Titelseite: "Marc-Olivier Fogiel, ein A... erster Güte!" Dem Thema ist eine ganze Doppelseite auf den Seiten 8 und 9 gewidmet. Natürlich durfte auch Jean-Marie Le Pen selbst nicht fehlen, der in einem Kommuniqué vom 15. Mai 03 betont: "Brigitte Bardot ist eine Persönlichkeit von großem Format, eine mutige und freie Frau, die sagt, was sie denkt. Das ist in unserem Land selten geworden, wegen des vorherrschenden intellektuellen Terrorismus."

Dagegen hat die Liga für Menschenrechte (LDH) am 13. Mai 03 angekündigt, Strafanzeige wegen rassistischer (und möglicherweise auch wegen homophober) Äußerungen in dem Buch zu stellen. Auch die Antirassismus-Bewegung MRAP wird wahrscheinlich Strafanzeige erstatten.

hagalil.com 25-06-03

 


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