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Judentum und Israel
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Verhältnismäßigkeiten:
Michel Friedman und die deutschen Zustände

Von Max Brym

Am 2. Juni 2003 bekundeten zwei bekannte deutsche Professoren, ihre Ansichten zum Umgang mit kranken älteren Menschen. Die Herren Joachim Wiemeyer und Friedrich Breyer unterbreiteten ihre Vorschläge zur Sanierung des Gesundheitssystems in der Fernsehsendung "Report" Mainz. Sie sprachen sich unter anderem dafür aus, auf teuere Behandlungen für Patienten über 75 Jahre künftig zu verzichten. Nur kurz erregte sich die Öffentlichkeit, das Medienfeuer loderte auf bescheidener Sparflamme. Herr Professor Wiemeyer ist Professor für katholische Theologie und hält Vorlesungen über christliche Sozialethik.

Was die beiden Professoren vorgeschlagen haben ist ungeheuerlich: Wer eine Altersbegrenzung für medizinische Behandlung einführen will, trägt dazu bei, eine neue Debatte über Euthanasie aus Altersgründen zu schüren. Peter Vetter, Präsident des Sozialverbandes Deutschland ( SoVD ) erstattete daraufhin Anzeige gegen die beiden Professoren. Über die Anzeige von Herrn Vetter berichtete nur einige linke Blätter, der bürgerlichen Presse war das Ganze höchstens eine Randnotiz im hinteren Teil der Zeitung wert. Die gängige Presse schweigt mittlerweile dezent zu den barbarischen Ausfällen der Professoren. Nirgendwo machen gut bezahlte Journalisten Jagd auf die beiden Herren, schon gar nicht wird deren Lehrbefugnis in Frage gestellt. Auch von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die beiden Professoren ist nichts bekannt.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn in jeder Talkshow, in der sich ein staatstragender Politiker ungestört äußern kann, sind Kranke, Arbeitslose, Rentner oder Sozialhilfeempfänger nicht Menschen sondern unproduktive Lohnnebenkosten. Das ist derzeit bürgerlicher Konsens. Ergo fängt die Meute an nach Bettgeschichten und Kokskonsum zu schnüffeln. Wenn in diesem Zusammenhang ein bekannter deutscher Jude auftaucht, kennt die Presse keine Scham und keine Grenze mehr: "Friedman: Drei Huren für die Nacht" titelte die Hamburger Morgenpost ohne Fragezeichen. Ein Herr Wiglaf Droste schrieb in der Taz: "Der outrierte Lakel, der Streber Friedman fand es offenbar lustig, seine telefonische Bestellung unter dem Pseudonym Paolo Pinkel aufzugeben". Diese harr harr Vorverurteilung stammten aus der "Bild" und aus dem Spiegel, diese hatten ihre Informationen angeblich von einem Mitarbeiter des BKA und von der Berliner Staatsanwaltschaft. Herrn Droste interessierte dies nicht im geringsten, wichtig war ihm, billige Witze zu reißen. Das rechtlich zweifelhafte Verhalten der Berliner Staatsanwaltschaft, die im Rahmen von Ermittlungen, gezielt die Medien informierte, war für Herrn Droste belanglos.

Der eigentliche Skandal ist die Behandlung Michel Friedmans durch die Medien und das Verhalten der Berliner Staatsanwaltschaft. Dem zuständigen Staatsanwalt muß der Zeitpunkt seiner Inszenierung bekannt gewesen sein. Unmittelbar vor der Aktion gegen Michel Friedman folgte Möllemann dem Rat vieler Psychologen und ließ sich einfach fallen. Seitdem sind die Internetseiten der Möllemann Fans voll mit antisemitischen Verschwörungstheorien, viele äußern jetzt ihre Zufriedenheit nach dem Motto: "Wenn das der Jürgen noch erlebt hätte". Der Staatsanwalt wählte den Zeitpunkt der Attacke gegen Michel Friedman offenbar bewußt. Dies darf angenommen werden, soviel Paranoia ist statthaft.

"Öffentliche Hinrichtung"

So nannte der Anwalt von Michel Friedman den Umgang mit seinem Mandanten. Dieser Vorwurf gegen die Staatsanwaltschaft Berlin ist absolut gerechtfertigt. Medienwirksam stürmten Polizeieinheiten und GSG 9 Truppen die Wohnung, sowie die Kanzlei von Michel Friedman. Der Beschuldigte wurde, nachdem angeblich Kokain gefunden wurde, dazu genötigt, sich an Ort und Stelle eine Haarprobe entnehmen zu lassen. Normalerweise hat die Staatsanwaltschaft die Aufgabe einen Beschuldigten zu überführen. Kurz nach der Aktion setzte die Staatsanwaltschaft die Kokain, Sexorgien und Menschenhändlergeschichten in Umlauf. Am 19.6. beschloss die Staatsanwaltschaft keinerlei Erklärungen mehr abzugeben. Offensichtlich handelt das Berliner Amt nach der Devise: Ist Friedmans Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert. Die Beweislage ist dünn, ein Video, indem Michel Friedman mit nackten Frauen zu sehen sein soll, ist dermaßen unscharf, dass der Mann im Bademantel auch Stefan Raab oder Dieter Bohlen gewesen sein könnte. Nichtsdestotrotz hat die Staatsanwaltschaft Berlin Gerüchte in Umlauf gesetzt, um jetzt vornehm zu schweigen.

Das antisemitische Ressentiment ist bedient und der antisemitische Mob an den Stammtischen jubiliert. Wenn die Aktion gegen Michel Friedman mit dem Fall des rechtspopulistischen Hamburger Innensenators Roland Schill verglichen wird, könnte ein Schelm böses vermuten. Zur Erinnerung: Roland Schill wurde öffentlich in einer TV- Sendung des Drogenkonsums bezichtigt. Daraufhin konnte Roland Schill in aller Ruhe ins entfernte München reisen und sich freiwillig ein Haar zwecks Untersuchung entnehmen lassen. Es fand keine spektakuläre Durchsuchung der Privaträume und der Diensträume von Roland Schill statt. Anders als im Fall Schill, verhielt sich die Staatsanwaltschaft Berlin, sie hat sich im "Fall Friedman", weit aus dem Fenster gehängt, es ist schlimmes zu befürchten.

Zwei Prostituierte sind die Hauptzeugen der Ermittler, jeder weiß, Prostituierte sind aus mehreren Richtungen erpressbar. Augenscheinlich will die Staatsanwaltschaft, über diese Schiene, Michel Friedman den Vertrieb von Kokain anhängen. Denn Eigenkonsum, wenn er nachgewiesen werden könnte, ist nicht strafbar. Aber bei Friedman kommt hinzu, wenn ihm Konsum von Kokain nachgewiesen würde, so rechnet die Staatsanwaltschaft damit, dass er nicht mehr zu halten sei.

Er hätte ein anderes Schicksal zu erwarten, wie der vor einiger Zeit verstorbene Spiegel- Herausgeber Rudolf Augstein. Jener wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten mit einer größeren Menge Haschisch erwischt. Dies verursachte keine große Aufregung und stand einem Staatsakt anlässlich seiner Beerdigung nicht im Weg. Jahrelang wurde über den deutschen "Schriftstellerheros" Ernst Jünger, teils öffentlich gemunkelt, er nehme Kokain. Kein Staatsanwalt sah sich veranlasst zu ermitteln, oder gar Herrn Jünger Grenzschutzeinheiten ins Haus zu schicken. Im "Fall Friedman" ist alles anders, ein Blick in die Presse genügt. Am klarsten ist dieses "ANDERS" erkennbar, an der skandalösen Stellungnahme des Unionspolitikers Friedrich Merz.

Merz bedient den Antisemitismus

Am 19.6 äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion Merz in einem Fernsehkanal zu den Vorwürfen gegen seinen "Parteikollegen" Friedman. Der Erzkonservative Merz erklärte: "Der Vorfall schade Friedman mehr, als der CDU". Bezogen auf die Jüdische Gemeinde bekundete Herr Merz das Gegenteil: "Das Festhalten an Friedman durch die Jüdischen Gemeinden schade deren Sache". Hier wandelt jemand auf Möllemanns Spuren. Wenn Herr Friedman tatsächlich gekokst hat, dann sicher nicht im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinden, auch nicht auf Anweisung des " Zentralrates der Juden in Deutschland". Friedrich Merz ist außerstande Michel Friedman als Privatperson zu behandeln. Friedrich Merz bedient den Antisemitismus in Deutschland.

Daneben will er mit einem unliebsamen "Parteifreund" aufräumen. Friedman ist vor einigen Jahren demonstrativ aus der hessischen CDU ausgetreten. Grund war für ihn, die rassistische Kampagne von Roland Koch gegen den Doppelpass. Als die hessische CDU ihre Spendenaffäre mit "unbekannten jüdischen Großspendern" erklären wollte, hatte Michel Friedman endgültig die Schnauze voll.

Die Sendung "Friedman" geht vielen aus der politischen Kaste, gegen den Strich. Meist ist Friedman nicht mit billigen Floskeln zufrieden, sondern er bohrt nach. Ihn deshalb als Moralapostel (Stern Titel) zu bezeichnen, ist völlig daneben. Niemals hat Friedman, egal wie man zu ihm steht, irgendwelche Politiker nach ihrem Privatleben befragt, oder versucht aus ihren "Frauengeschichten" Kapital zu schlagen. Er will in Deutschland den Dissens, statt den Konsens zur politischen Leitkultur machen. Dieser Ansatz muss unterstützt werden. Steht er doch im Gegensatz, zum herrschenden Programm, den sozialen Kahlschlag, den Rassismus und Antisemitismus im deutschnationalen Konsens durchzuführen.

hagalil.com 30-06-03

 


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