V.
"...aber die
im Dunklen sieht man nicht"Im
November 1990 haben wir Mitglieder der Nationalen Alternative (NA)
interviewt, zur damaligen Zeit als legale Partei im Parteiregister Nr.
39/90 registriert (ausführlich Frindte, Jabs, Neumann 1992). Auf unsere
Frage "Was ist für euch Gewalt? " erhielten wir die Antwort: "Laut
Parteiprogramm und Statut lehnen wir Gewalt ab. Wir wollen auf legale
Art und Weise Politik machen". Aber "es liegt nicht im Interesse von
Leuten, die maßgeblich in der nationalsozialistischen Politik aktiv
sind, solche Leute wie Skins über wahre Ursachen aufzuklären, sondern
sie in ihrem Denkschema zu lassen" (Interviewaussage). Der Skin auf der
Straße "...wird bewußt dumm gehalten" (Interviewpassage).
Sich als "rechts-außen" kategorisierende
und in der deutschen Öffentlichkeit auch so etikettierte Jugendgruppen
übernehmen nicht nur externe Kategorien zur Legitimation
gruppenspezifischer Gewaltaktionen; nicht selten werden sie von
rechtsextremistischen Parteien, Organisationen und Funktionären zu
politischen Zwecken instrumentalisiert. Um sich dem Verbot wegen
Verfassungsfeindlichkeit zu entziehen oder um politische Wählbarbeit bei
der Bevölkerung zu erlangen, haben zahlreiche rechtsextremistische
Organisationen und Parteien ihre Strate- gien und Organisationskonzepte
geändert. Die offizielle Abkehr von physischen Gewaltanwendungen gehört
ebenso zu den veränderten Organisationskonzepten wie die "nur"
inoffizielle Unterstützung und Förderung von physischen Gewalttaten
durch jugendliche Gruppen. An die Stelle der Proklamation von
Gewaltaktionen treten "massenwirksamere" Aufmärsche und gezielte
Verbreitung fremdenfeindlicher Propaganda.
"Ende 1994 gab es in der
Bundesrepublik Deutschland 82 (1993: 78) Organisationen und
Personenzusammenschlüsse, die von den Verfassungsschutzbehörden
wegen rechtsextremistischer Bestrebungen beobachtet wurden. Die Zahl
der Mitglieder solcher Personenzusammenschlüsse und der nicht
organisierten Einzelpersonen ist - nach Abzug der
Mehrfachmitgliedschaften (870) - mit 56.600 Personen gegenüber dem
Vorjahr (64.500) um 7.900 Personen deutlich zurückgegangen"
(Verfassungsschutzbericht 1994).
Die rund achtzig rechtsextremen
Organisationen reichen von offiziellen Parteien (z.B. "Deutsche
Volksunion", "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", "Die
Republikaner") über gewalttätige Skinhead-Gruppen, rechtspopulistische
Studenten- und Jugendorganisationen bis zu straff geführten
neonazistischen Vereinen. Nachdem die verschiedenen Organisationen lange
kaum untereinander in Beziehung standen, hat sich das in den letzten
drei Jahren sprunghaft geändert. Nicht zuletzt moderne Info-Telephone,
Computernetze und Mailboxen erlauben eine schnelle, effiziente und
organisationsübergreifende Vernetzung der rechtsextremen Strukturen.
Seit mehreren Jahren versorgt der
Rechtsextremist Ernst Zündel aus Kanada seine "weltweiten
Zündel-Freunde" mit dem ideologischen Unterfutter für rechtsextreme
Propaganda und Aktionen. Mittlerweile sind seine Agitationen auch im
Internet zu finden. Im folgenden einige Auszüge aus seinen
"Germania-Rundbriefen". Daß ich diese Zitate nicht weiter kommentiere,
hat mit meinem Optimismus zu tun, die Leserinnen und Leser mögen nicht
nur die holpernde Argumentation, sondern auch die Gefährlichkeit
derartiger Agitationen zu erkennen in der Lage sein:
"Einer muß das Maul aufreißen... Im
Mai d. J. (1992, d. Verf.) erhielt ich einige Anrufe aus
Mitteldeutschland, von einem Mann, der früher Sekretär bei einer
SED-Jugendformation gewesen war und der mir immer wieder von seiner
neuen Partei vorschwärmte, die er in den neuen Bundesländern
gegründet hatte, nachdem er aus der NPD ausgeschlossen wurde, weil
man seine zu offen gezeigt nationale Einstellung nicht wollte... Er
lud mich ein, vor seiner fast total aus jungen Leuten bestehenden
Gruppe über meine Arbeit zu sprechen (der jüngste Zuhörer war 13,
der Älteste 19 Jahre alt). Ich kam dieser Einladung gerne nach, denn
Mittel- und Ostdeutschland faszinieren mich. Ich finde, daß dort die
Menschen noch aufnahmefähiger sind für nationale Gedankengänge. Vor
allen Dingen, sehr junge Menschen scheinen sich drüben viel mehr für
Politik zu interessieren, als wie im Westen unseres Vaterlandes...
Auf meine bohrenden Fragen, mir doch mitzuteilen, was in ihren
Köpfen vorgeht, und warum sie gerade zu solchen Versammlungen wie
den meinen kommen, folgt dann meist zaghaft das Eingeständnis, daß
sie vom alten Regime nichts wissen wollten und ihnen der Opa oder
die Oma immer wieder gesagt hätten, das mit dem Hitler und dem
Dritten Reich, das sei nicht so gewesen, wie es in den Zeitungen
stand zu DDR-Zeiten und heute wieder stehe und wie das in den
Schulbüchern noch immer stehen würde... Jetzt heißt es nur
standhalten, nicht verzagen, die Stellungen halten bis zum nächsten
Entlastungsangriff und Gegenschlag. Alles Aktionen die schon von uns
in Vorbereitung sind..." (No. 159, 1. September 1992).
"Ich sprach während meiner letzten
Europareisen in Bonn, Hamburg, München, Erfurt und Weimar. Weitere
Vorträge sind in Planung, wer welche bei sich in der Nähe oder zu
Hause abhalten kann oder will, soll sich melden. Ich möchte wissen,
wieviele Leute erwartet werden, in welcher Art von Räumlichkeit wir
diese Katakombenversammlungen abhalten werden und in welcher Höhe
ein Zuschuß gemacht werden kann zu meinen Reiseunkosten... Damit die
Veranstalter so wenig wie möglich von der Polizei belästigt werden,
haben diese Versammlungen meist privaten, beinahe einen
'Untergrund'- Charakter. Meine Gastgeber und Besucher sind meist
zufrieden mit den Vorträgen und es stärkt das
Zusammengehörigkeitsgefühl enorm!..." (ebd.).
"Viele der äußerlich häßlichen, in
Hollywoods Propaganda Giftküche geschaffenen 'Glatzen' ließen sich
unter dem Einfluss der mehr besonnenen und reiferen Revisionisten
einfach die Haare wachsen und bald sah man Protest-Kundgebungen und
Aufmärsche von 1000, 2000 bis 3000 meist jungen Menschen, besonders
in Deutschland, die sich gesetzestreu, diszipliniert und überwiegend
anständig benahmen. Ausschreitungen kamen meist von vermummten bis
auf die Zähne bürgerkriegsähnlich ausgerüsteten linken Chaoten oder
Zwischenfälle wurden von besonderen Schlägereinheiten der Polizei
verursacht, die immer wieder in provokativster Weise rechtschaffende
Leute in aller Öffentlichkeit filzte, photographierte, anpöbelte mit
frechen Redensarten, arrogant anfuhr und generell gegen das
Grundgesetz verstos-send, behandelte..." (GERMANIA-Rundbrief, No.
162, 1. Dezember 1992).
"Die Überschwemmung Deutschlands
durch Millionen anderstrassiger Asylsuchender, ist seit dem
Hooten-Plan von 1943 ein Alliiertes Kriegsziel gewesen und
geblieben. Natürlich freuen sich die Kapitalisten Amerikas und
Englands über die Überschwemmung Deutschlands mit diesen meist
ungeschulten, schlecht oder gar nicht beruflich ausgebildeten
Arbeitskräften, denn das reduziert den sprichwörtlich gewordenen Ruf
des Qualitätsproduktes aus deutschen Fabriken..." (ebd.).
In den Möglichkeitsräumen tummeln sich
Denker, Nachdenker, Vordenker, neue Rechte, alte Linke, Spaßmacher und
Totschläger. Nicht immer sind die einen von den anderen zu
unterscheiden. Die Wirklichkeiten sind unübersichtlicher und
ambivalenter geworden, nicht nur am Rande, auch in der Mitte.
|