antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 
[Der Pressespiegel im Klick nach Rechts]

Hintergrund:
Über Bagdad nach Dresden

Warum und wie die extreme Rechte die Friedensbewegung für sich und ihre Zwecke entdeckt...

Falco Schuhmann/apabiz

Gesehen hat sie niemand. Doch in einer Presserklärung des Aktionsbüro Mitteldeutschland wird über die angebliche Beteiligung von »250 Nationalisten aus Berlin und Brandenburg« an der größten Friedensdemonstration in Berlin am 15. Februar berichtet. Bei über 500.000 TeilnehmerInnen entspräche das einem verschwindend geringen Anteil von 0,5 Promille. Daneben führten dieser Tage mehrere rechte Gruppierungen eigene Aufmärsche gegen den Krieg mit durchaus ansehnlichen Teilnehmerzahlen durch und auch andernorts wurde – mehrfach erfolgreich – versucht, sich anderen Protesten anzuschließen.
Dies geschieht zum einen aus Provokations- und Publicitygründen. Aber es gibt durchaus auch »authentische« Gründe für die extreme Rechte, sich gegen den bevorstehenden Krieg zu wenden. So wird von ihnen beispielsweise mit der Forderung »Kein deutsches Blut und Geld für fremde Interessen« gegen den Krieg mobilisiert. Mit fremden Interessen sind dabei vor allem die angeblichen »Weltherrschaftspläne« der USA gemeint.

Federführend bei Aktionen gegen den Krieg ist das Aktionsbüro Norddeutschland. Unter dem Namen »Not with U$« wurde gleich eine ganze Kampagne zu diesem Thema ins Leben gerufen, durch die der »Protest gegen die weltweite Unterdrückungspolitik der USA (...) einen immer größeren Eingang in den politischen Kampf des nationalen Widerstandes finden« soll. In Flugblättern wird den USA vorgeworfen, sie wollten eine »neue Weltordnung« namens »Oneworld« installieren, um die Freiheit der Völker einzuschränken. Diese Freiheit der Völker meint die Unabhängigkeit Deutschlands von den ehemaligen Westalliierten und insbesondere den USA. Mit dieser antiamerikanistischen Argumentation versucht die extreme Rechte, antiamerikanische Reflexe in der Friedensbewegung anzusprechen.
Auf einem zu dieser Kampagne durchgeführten Aufmarsch in Hamburg-Wandsbek wurden kaum klassische Nazi-Transparente mitgeführt und auch Sprechchöre wie »USA – internationale Völkermordzentrale« oder »Amis raus!« ließen nicht zwangsläufig auf einen rechten Aufmarsch schließen. Das gleiche galt auch für die Musikauswahl: unter anderem erklang das Lied »Yankees raus« der linksradikalen Punkband Slime. Konsequent auf den Punkt gebracht wird dieser nationalistische Antiamerikanismus in der Losung: »Wer für die USA ist, ist gegen uns Deutsche«.

Bresche für den Revanchismus
Gleichzeitig versucht die extreme Rechte mit ihrem »antiimperialistischen« Gestus, der sich ausschließlich gegen die USA richtet, die Verbrechen des Nationalsozialismus im zweiten Weltkrieg zu relativieren oder ganz zu leugnen. Es soll der Eindruck erweckt werden, die USA stünden in einer imperialistischen Kontinuität, die sie im Zweiten Weltkrieg Deutschland angreifen ließen. Dem heutigen Deutschland wird ein solcher Imperialismus selbstverständlich nicht unterstellobwohl dies wegen seiner engen Verbundenheit zur USA nur folgerichtig wäre. Stattdessen wird der deutschen Regierung vorgeworfen, sich im Ausland nicht genügend für deutsche Interessen einzusetzen und sich mit der Unterstützung der USA dem Diktat Israels zu beugen.
Komplett unverblümt formuliert dies die NPD-Fraktion im Wetterauer Kreistag. In einer Erklärung zum Krieg heißt es dort, dass die Angriffskriege der USA »nur einen weiteren Schritt zur Weltherrschaft der USA und damit der Wall Street darstellen«. Dass es deutsche Nationalsozialisten waren, die den größten imperialistischen Angriffskrieg führten, wird ausgeblendet und in einen Befreiungskampf gegen imperialistische Bestrebungen der USA umgemünzt: »Wir Deutschen waren die ersten Opfer des amerikanischen Größenwahns. Unsere damalige Reichsregierung hatte es gewagt, den Weg in die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gehen.«
Eine weitere Argumentationslinie der Neonazis ist der Versuch, einen möglichen amerikanischen Bombenangriff auf Bagdad mit dem Bombenkrieg der Alliierten gegen Deutschland gleichzusetzen. Dieser geschichtsrevisionistische Bezug soll letztendlich eine Umkehr der Kriegsschuld zu Gunsten Deutschlands und zu Ungunsten der USA herbeiführen. In Flugblättern heißt es dazu: »Was vor knapp 60 Jahren in Deutschland passierte, wiederholt sich jetzt im Irak« und »Deutschland hat weder den ersten, noch den zweiten Weltkrieg gewollt«. Gerade recht kommt der extremen Rechten da der Weihnachtsbestseller »Der Brand« von Jörg Friedrich, der in Millionenauflage die angeblichen Kriegsverbrechen Englands im Bombenkrieg gegen Deutschland anprangert und diese Argumentation einer breiten Öffentlichkeit in die Hände legt.

Antisemitismus als Motiv
Gerade die Neonazis hegen aber auch Sympathien für den irakischen Diktator Saddam Hussein selber. Immerhin führt er seinen Staat mit einer harten Hand und seine ideologische Basis besteht aus einem extremen Nationalismus mit leicht sozialistischem Touch. Vor allem die Ablehnung des Staates Israel dürfte den Nazis aus der Seele sprechen. So versprach Hussein unlängst allen Hinterbliebenen palästinensischer Selbstmord-Attentäter eine Prämie von 10.000 US-Dollar.
Der extremen Rechten geht es bei der »Solidarität« mit dem Irak wie auch bei dem Bezug auf Palästina darum, den Staat Israel oder das Judentum insgesamt anzugreifen. So gehe es bei diesem Krieg nur darum, die »wirtschaftliche Macht der US-Konzerne und der weltweiten Geldverleiher auszubauen« und Hussein solle nur gestürzt werden, da »dessen Regierung nicht mehr ins Konzept der Achse Washington-Israel passe«. Die Möglichkeit, unter dem Vorwand der Friedenssehnsucht Antisemitismus offen formulieren zu können, ist eine Hauptmotivation für Neonazis, sich gegen den drohenden Krieg im Mittleren Osten zu engagieren.

Abgrenzungs-Schwierigkeiten
Wenn sich die extreme Rechte mit solchen Argumenten an Anti-Kriegs-Protesten beteiligen kann, ist das oft auf mangelnde Sensibilität oder einen falsch verstandenen Toleranzbegriff zurückzuführen. So war immer wieder zu hören, ein jeder habe das Recht, friedlich gegen den Krieg zu demonstrieren. Bei den Demonstrationen komme es nur darauf an, gegen den Krieg zu sein und nicht, aus welchem Lager die Demonstranten stammen. Das Auftreten der Neonazis als friedensliebende Deutsche und die Ähnlichkeit ihrer Parolen mit denen anderer Teile der Bewegung dürften mancherorts ihr Übriges zur Duldung beigetragen haben. Freie Nationalisten beispielsweise müssen ihre Parolen nicht modifizieren oder in ihrer Radikalität zurücknehmen, sondern sie suchen sich gezielt Anknüpfungspunkte bei Parolen und Argumenten der Friedensbewegung. Wie vielversprechend und wichtig ihnen diese Intervention ist, zeigt ein Konzeptpapier des Aktionsbüros: »Derzeit sollte der nationale Widerstand jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um gegen die globale Macht- und Kriegspolitik zu protestieren. (...) Wünschenswert wäre auch, dass in nächster Zeit (...) andere nicht ganz so dringende Anlässe zurückgestellt werden.«
Teile der Anti-Kriegs-Bewegung geben sich unter der Parole »Kein Blut für Öl« scheinbar strikt antikapitalistisch. Diese oberflächliche Kapitalismuskritik projiziert alle negativen Erscheinungen auf einen – in der Tat existierenden – aggressiven us-amerikanischen Kapitalismus, äußert sich aber nicht oder kaum ablehnend über die europäischen oder deutschen Verhältnisse. Die Verantwortung deutscher Regierungen oder gar hiesiger Rüstungskonzerne an der Situation im Mittleren Osten wird angesichts des (momentanen) Anti-Kriegs-Kurses der rot/grünen Regierung ausgeklammert. Ein solcherart verkürzter Antikapitalismus bietet der extremen Rechten natürlich eine Steilvorlage, denn ihre Ablehnung des herrschenden Systems manifestierte sich schon immer im Hass gegen den »wertelosen US-Kulturimperialismus« und die im Hintergrund vermuteten »jüdischen Strippenzieher« an der amerikanischen Ostküste.

Ausblick
Auch wenn gerade die freien Nationalisten ihre Aktionen meist als Erfolge feiern und in der Szene einen Enthusiasmus für das Thema entdeckt haben wollen, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie dadurch ihre Position in der Gesellschaft nicht verbreitern können. So haben die Nazis es trotz aller Bemühungen nicht geschafft, auch nur als Stichwortgeber für die breite Masse der Friedensbewegung aufzutreten, geschweige denn, eigene Positionen in die Gesamtheit der Bewegung zu tragen.
Auch wenn sie auf manchen Veranstaltungen der Friedensbewegung geduldet wurden, stoßen sie – auch bei guter Tarnung – bei weiten Teilen dieses Spektrums weiterhin auf klare Ablehnung. Die selbst organisierten Anti-Kriegs-Aufmärsche waren zwar besser besucht als andere Nazi-Aufmärsche der letzten Monate; Teile der Friedensbewegung in diese Aufmärsche zu integrieren oder gar einen Schulterschluss rechter und linker Anti-Kriegs-Aktivisten zu erreichen, erscheint jedoch nach wie vor als rhetorische Großmachtphantasie des rechten Lagers.

apabiz.de
monitor Nr.9 (März/2003) - Rundbrief des apabiz e.V.

kt / hagalil.com / 030425

Die im Pressespiegel veröffentlichten Texte spiegeln die Meinungen der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Verantwortlichen dieser Website wieder.


DE-Titel
US-Titel

Books

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved