Rechte Ökologiebewegung:
Viel zu viel Volk
Herbert Gruhl dachte darüber nach, ob gegen das
Bevölkerungswachstum im Trikont die Atombombe einzusetzen sei. Eine Gesellschaft
verbreitet die Ideen des rechten Ökologen weiter...
Janine Clausen und Andreas Speit
Gruhl war ein begnadeter Vordenker«, schreibt Franz Alt, der rechte Ökologe und
Autor, in dem Buch »Zwanzig Jahre ÖDP - Anfänge, Gegenwart und Perspektiven
ökologisch-demokratischer Politik«. Der Fernsehjournalist berichtet weiter:
»Dank Gruhl weiß ich heute, dass die Ökologie das Kernthema aller Politik und
Wirtschaft im 21. Jahrhundert sein wird.«
Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft (HGG) aus Hannover dürfte solch ein Bekenntnis
freuen. Denn seit Jahren bemüht sie sich, renommierte Politiker und Ökologen für
die »Förderung und Verbreitung des Gedankenguts« Herbert Gruhls zu gewinnen. Im
Jahr 1999, knapp sechs Jahre nachdem Gruhl einem Magenkrebsleiden erlag,
gründeten Heinz-Siegfried Strelow und Volker Kempf die »wissenschaftliche
Vereinigung«.
Gruhl, der frühere Umweltexperte der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, wirkte im
Laufe der Jahre in verschiedenen Ökoprojekten mit, vom Bund für Natur- und
Umweltschutz Deutschland (BUND) bis zu den Grünen. 1979 war Gruhl der grüne
Spitzenkandidat bei der Europawahl, doch bereits 1981 verließ er die Partei und
gründete mit Freunden aus der extremen Rechten 1982 die Ökologisch-Demokratische
Partei (ÖDP).
Seine Kontakte ins rechtsextreme Milieu und seine entsprechende politische
Haltung führten in der ÖDP Jahre später zu Streitigkeiten. 1990 verließ Gruhl
die Partei und beteiligte sich an der Gründung der Unabhängigen Ökologen
Deutschlands (UÖD). 1991 überreichte ihm die damalige niedersächsische
Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) das Bundesverdienstkreuz.
Dennoch war Gruhl am Ende seines Lebens wegen der »unaufhaltsam wachsenden Zahl«
der Menschen und der »weiter steigenden Ansprüche des Einzelnen« enttäuscht.
Denn die von ihm schon 1975 in seinem Bestseller »Ein Planet wird geplündert«
geforderte »radikale Umkehr« zu einem ökologischen Bewusstsein sei nicht
eingetreten. Franz Schönhuber erinnert sich in der National-Zeitung an Gruhl als
einen »Patrioten«, der »in der Wahrung nationaler Interessen keinen Konflikt mit
den globalen Herausforderungen sah«.
Mit Gruhl ging auch Heinz-Siegfried Strelow von der ÖDP zu den UÖD. Der
Vorsitzende der Herbert-Gruhl-Gesellschaft ist dem Denken seines verstorbenen
Mentors verpflichtet. Um sich diesem Verein voll und ganz widmen zu können,
verzichtete Strelow im Jahr 2001 sogar auf die Wiederwahl zum stellvertretenden
Parteivorsitzenden der UÖD.
Auf der Internetseite der Gesellschaft zitiert er aus Gruhls Buch »Himmelfahrt
ins Nichts«. Angesichts von »Bevölkerungsexplosion, ungebremstem
Ressourcenverbrauch und globaler Ausbreitung der ›multikulturellen‹
Industriegesellschaft« sei das »Ende unabwendbar«. »Die Vereinheitlichung der
Welt ist ein Meilenstein zu ihrem Ende«, warnte Gruhl, die »Grenzen der
natürlichen Räume« seien wegen »der Menschenmassen weit überschritten«.
Unerwähnt lässt Strelow, dass Gruhl sich vorstellen konnte, im Kampf für die
Umwelt gegen die »Masse der Menschen in den Entwicklungsländern« die Atombombe
einzusetzen.
Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft trägt ihre Propaganda nicht in dem aggressiven,
offen rassistischen Ton vor wie die UÖD. Unter dem Begriff »ökologischer
Lebensschutz« führt etwa Siegfried Kilchberg für die UÖD aus, »solange sich die
Staaten der dritten Welt nicht bereit erklären, die ökologischen Grundlagen« zu
schützen, sei »jede Entwicklungshilfe absoluter Wahnsinn«. Kilchberg ist
überzeugt, »wenn wir einige Hunderttausend Wirtschaftsflüchtlinge bei uns
aufnehmen, ändern wir nichts am ökologischen Holocaust in anderen Erdteilen,
belasten aber unnötig unsere bereits überstrapazierte Heimatnatur«.
Etwas moderater erklärt da der stellvertretende Vorsitzende der
Herbert-Gruhl-Gesellschaft, Volker Kempf: »Wir sind nicht gegen Einwanderung,
sondern dagegen, dass diese die Abwanderung übersteigt.« Seine Gesellschaft
»mahnt« auch zur »Zurückhaltung bei der Zuwanderung«. Schließlich würden
Deutschkurse wenig helfen, und noch »fragwürdiger« seien
»Daueraufenthaltsgenehmigungen für hoch qualifizierte Ausländer«.
Neben der Veranstaltung von Symposien versucht die Gesellschaft auch, mit der
Herausgabe des Jahrbuchs »Naturkonservativ heute« Menschen zueinander zu
bringen, die sich Gruhl »weltanschaulich verbunden fühlen«. Der Begriff
»naturkonservativ« stand für Gruhl für die »Umkehr zu traditionellen Werten wie
Familie und Heimat«. Für Kempf ist die Bewahrung der Natur »ein konservatives
Anliegen«. Das müsse man heute um so mehr betonen, da die »Neue Linke das
Ökologiethema (…) für ihren antikapitalistischen Kampf instrumentalisierte«.
Diesem »Trend« sei auch die ÖDP gefolgt, weshalb »für einen Freigeist wie Gruhl«
in der Partei kein Platz mehr gewesen sei, meint Kempf.
Dennoch scheinen die Kontakte zwischen der Herbert-Gruhl-Gesellschaft und der
ÖDP nicht schlecht zu sein. Auf ihrer Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr
beschloss die Gesellschaft eine »gegenseitige korporative Mitgliedschaft« mit
der Stiftung für Ökologie und Demokratie, die der ÖDP nahe steht. Schon im Jahr
2001 führte die Gesellschaft zusammen mit der Stiftung eine Tagung anlässlich
des 80. Geburtstags Gruhls durch. Der Stiftungsvorsitzende, Hans-Joachim Ritter,
betonte, dass man sich darin einig sei, »dass Herbert Gruhl mit seiner Natur-
und Heimatliebe ›urkonservative Forderungen‹ vertreten habe«.
Auch bei den Grünen ist Gruhl bis heute nicht in Vergessenheit geraten. »Wo
früher Herbert Gruhl Verzicht und Maßhaltung empfahl, ruft heute Claudia Roth
zum freudigen vorweihnachtlichen Konsum auf«, klagte Reinhard Loske, der
stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen am Ende des
vergangenen Jahres in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Sicherlich hätte Gruhl auch wichtige Argumente zum vorgesehenen Sozialabbau
beizutragen. Er zeigte sich einmal überzeugt: »Das ›soziale Netz‹ fängt auch
noch den auf, der seine Lage selbst verschuldet hat. Darin liegt die große
Verführung; alle wiegen sich in einer Sicherheit, die ganz und gar unnatürlich
ist (…) Die Natur erzwingt die disziplinierte Einhaltung ihrer Gesetze.«
www.jungle-World.com
Jungle World (Nummer 22 vom 21.Mai 2003)
kt /
hagalil.com
/ 2003-05-22
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