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Judentum und Israel
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Extreme Rechte:
Neue deutsche Lyrik

In Hagen demonstrierten Neonazis gegen einen Vortrag Paul Spiegels. Ihr Motto lautete: »Der Rassismus ist ein Meister aus Israel.«...

Martin Seto

Unter solchen Vorzeichen habe ich noch nie eine Lesung halten müssen,« sagte Paul Spiegel am Dienstag voriger Woche zu Beginn einer Veranstaltung in Hagen, zu der ihn das dortige Stadtmuseum eingeladen hatte. Es sei »bedrückend«, erklärte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, wenn man am Tag zuvor erfahre, dass einen so etwas erwarte.
Denn während Spiegel im Rahmen der Ausstellung »Rassismus in Deutschland« vor 250 Zuhörern aus seiner Autobiographie »Wieder zu Hause? Erinnerungen« vorlas, marschierten draußen zeitweilig in nur 200 Meter Entfernung 60 Neonazis unter dem Motto: »Der Rassismus ist ein Meister aus Israel.«
Dabei stellt nicht nur der Umstand, dass Neonazis direkt gegen eine solche Veranstaltung mit Paul Spiegel demonstrieren wollten, ein Novum dar, sondern auch die Tatsache, dass eine derartige Provokation behördlich genehmigt wurde. Der Slogan der Nazis bezieht sich auf das Gedicht »Todesfuge« von Paul Celan, in dem es heißt: »Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.«
Der Lokalpresse sagte Hagens Polizeipräsidentin Ursula Steinhauer, sie habe »keine Chance« gesehen, der kurzfristig beantragten Nazi-Demonstration die Genehmigung zu verweigern. So marschierten die überwiegend dem militanten Kameradschaftsspektrum angehörenden Nazis unbehelligt durch den Stadtteil Oberhagen, der von 700 Polizeibeamten fast vollständig abgeriegelt war. Nur ein gutes Dutzend Antifaschistinnen und Antifaschisten gelangte über Umwege in den nur für Anwohner zugänglichen Bereich und begleitete den antisemitischen Aufzug lautstark.
Die Nazis führten Palästinafahnen mit sich und skandierten Parolen: »Juden raus – aus Palästina« und »Internationale Völkermordzentra Israel«. Während die erstgenannte Parole nach Angaben der Hagener Polizei »nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Hagen« keine rechtliche Handhabe bot, wurde wegen der zweiten ein JN-Kader aus Bochum, Claus Cremer, festgenommen.
Es habe der Verdacht auf eine Straftat vorgelegen, lautete der Kommentar der Polizei. Außerdem wurde der Anmelder selbst in Gewahrsam genommen, weil er nach dem Ende des Aufmarsches die verbotene Parole gerufen hatte: »Hier marschiert der nationale Widerstand.«
Als Anmelder zeichnete Maik Müller aus Lüdenscheid verantwortlich, der dem Nationalen Widerstand Hagen-Lüdenscheid zuzurechnen ist und bereits im November 2001 gemeinsam mit Christian Worch einen Naziaufmarsch in Hagen organisierte. Damals zogen 150 Alt- und Neonazis durch Hagen-Wehringhausen unter dem Motto: »Völkische Gemeinschaft statt Überwachungsstaat.« Müller wurde im April 2002 wegen Volksverhetzung verurteilt, weil er gemeinsam mit Dortmunder Gesinnungsgenossen rassistische Parolen grölend durch den Dortmunder Norden gezogen war.
In Dortmund agiert vor allem Siegfried Borchardts »Völkisch orientierte Gemeinschaft«, die auch zum Protest gegen Paul Spiegel nach Hagen aufgerufen hatte. Anlässlich eines Besuches des israelischen Botschafters, Shimon Stein, in Dortmund hatte die Gruppe um Borchardt bereits am 24. März dieses Jahres mit 70 Kameraden gegen Israel demonstriert. Die Nazis zeigten ein Transparent mit der Aufschrift »Kein Blut für Israöl« und riefen: »Hoch die internationale Solidarität«. Der Aufmarsch in Hagen scheint einer Strategie der Kameradschaftsszene zu folgen, mithilfe antiisraelischer Propaganda den Angriff auf Repräsentanten dessen, was ihnen als jüdisch gilt, zu verstärken.
Ein Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Hagen zeigte sich nach dem Aufmarsch gegenüber der Jungle World resigniert: »Ich weiß nicht, weshalb die Nazis demonstrieren durften. Es ist traurig, dass solche Leute gegen Amerika, Israel und die Juden auf die Straße gehen. Wir waren vor der Nazidemonstration sehr nervös und sind es auch heute noch.«
Die gleichzeitig stattfindende antifaschistische Gegendemonstration in der Hagener Innenstadt war gering besucht. In dieser Hinsicht stellt das Geschehen einen Tiefpunkt dar: Selten hat es in einer westdeutschen Großstadt auf einen mehrere Tage zuvor angekündigten Naziaufmarsch eine derartig schwache antifaschistische Reaktion gegeben.
Offensichtlich führt die häufig anzutreffende Gleichgültigkeit mancher linker Gruppen gegenüber dem Antizionismus eigener Bündnispartner, zuletzt vor allem aus der Friedens- und Antikriegsbewegung, zur Unfähigkeit, den antiisraelischen Nazidemonstrationen entgegenzutreten. Nicht zufällig beteiligten sich Linke im vergangenen Jahr an einer propalästinensischen Demonstration in Berlin, auf der schon einmal das zitierte Wort Paul Celans gegen Israel gewendet wurde. »Der Tod ist ein Meister aus Israel«, hieß es damals (Jungle World, 17/02). Nach Hagen jedenfalls kamen nur einige antideutsch gesinnte und lokale Antifa-Initiativen und ein paar weitere linke Gruppen.
So bekundete ein Häuflein von nur 120 Personen seinen Protest gegen Antisemitismus und Antizionismus. Auf der Auftaktkundgebung verwiesen einige Hagener Linke in einem Redebeitrag darauf, dass »die Hetze gegen den Staat Israel nichts anderes als die territoriale Form des Antisemitismus darstellt, dessen in Deutschland zur Zeit einzig mögliche Ausdrucksform«.
Immerhin bekannte auch die dem Umfeld der antiimperialistischen Red Community/NRW entstammende Antifa Hagen in ihrem Beitrag angesichts des Naziaufmarsches ihre Solidarität mit Israel - im Gegensatz zu einem großen Teil der nordrhein-westfälischen Antifaszene, die durch Abwesenheit glänzte. Ein Vertreter der Antifa Duisburg kritisierte das mangelnde Engagement als eine politische Bankrotterklärung. »Wenigstens weiß die Antifa jetzt, dass es Zeit ist für einen politischen Neuanfang«, sagte er.

www.jungle-world.com
Jungle World (Nr.25 vom 11.06.2003)

DG / hagalil.com / 2003-06-14

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