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Jean-Améry:
Sehen und Lesen

Essays zur Literatur und zum Film...

Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Vorwort
Jean Améry: Werke

Jean-Améry (1912–1978) war Kulturkritiker, Philosoph, Schriftsteller, bekannt durch seine Essays über Auschwitz und das Weiterleben danach (»Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten«, 1966). Dass er einer der ungewöhnlichsten, leidenschaftlichsten Leser des 20.Jahrhunderts war, wird jetzt durch die Edition seiner Literatur- und Filmessays im Band 5 der Werkausgabe sichtbar.

Im Schreiben über Literatur, hingegeben an die »Denkträume« seiner Lektüre, hat er mehr von sich preisgegeben als sonst in seinen Büchern, so autobiografisch sie alle sind, die Auschwitz-Essays genauso wie die Bücher über das Altern, über den Freitod oder seine politischen und philosophischen Schriften. Man könnte die jetzt gesammelt erscheinenden Literaturessays, die den weitaus größeren Teil des Bands der »Aufsätze zur Literatur und zum Film« ausmachen, auch »Bewältigungsversuche eines Überwältigten« nennen. Es sind seismographische Studien über den Kulturbruch, der das Lesen nach Auschwitz verändert hat. Doch diese Essays sind auch wunderbare Studien über die Zeit und das Zeitvergehen in der Literatur, über Eros und Tod, über das bedrängte, nicht nur von den geschichtlichen Katastrophen bedrohte Ich. Über Bücher zu schreiben, das war für Améry eine Möglichkeit, das vielgestaltige, widersprüchliche lebendige Ich zur Sprache zu bringen, Leidenschaft, Romantik, soziales Gewissen, souveränen dialektischen Witz, Polemik und aufklärerische Klarsicht, aber auch Hingabe an die Stimmen und Gesten in den gelesenen Büchern, an Todesverfallenheit und Ich-Entgrenzung im begriffsauflösenden literarischen Denken. Vor allem die Bücher von Marcel Proust, Thomas Mann und Heinrich Mann, seine Lebensbücher, waren Teil seiner inneren Welt, er erlebte sich in ihnen wirklicher als in der Wirklichkeit, und es ist kein Zufall, dass sein letztes literarisches Projekt eine Novelle vom »Traum als Leben« der Literatur hätte werden sollen (»Rendezvous in Oudenaarde«).

Ungewöhnlich ist Amérys Leserbiographie allein wegen des geschichtlichen Erfahrungsgehalts dieses Leselebens im Zeitalter der Judenvernichtung. Er kannte von Anfang an nicht die großbürgerliche kulturelle Sicherheit, Literatur war kein selbstverständlicher Besitz, sondern für den 1912 in ärmeren Verhältnissen in Wien als Hanns Mayer Geborenen ein Mittel der Selbstbehauptung und des Überlebenkönnens. Aus einer jüdischen Familie stammend, bei der Mutter in der österreichischen Provinz, in Bad Ischl, aufgewachsen, kam er als Jugendlicher nach Wien zurück, wo er sich in den zwanziger und dreißiger Jahren als Buchhändler und Literat durchschlug. Schon damals schrieb er, im Umkreis der Bildungsbewegung des Roten Wien, über Bücher, die ein Teil seiner Existenz waren und ihm wie ein zweites Leben erschienen, wirklicher als das eigene, das früh schon im antisemitischen Österreich der dreißiger Jahre, mit dem nationalsozialistischen Deutschland als Nachbar, von der Vernichtung bedroht war. Und er las weiter im belgischen Exil, dann im Lager im südfranzösischen Gurs, wo er aus dem Gedächtnis eine Lyrik-Anthologie zusammenschrieb. Nach seiner Flucht und Rückkehr nach Brüssel schloss er sich dem Widerstand an, wurde verhaftet, gefoltert und nach Auschwitz deportiert, dorthin, wo der Geist an eine Grenze kam und das Lesen zur Undenkbarkeit wurde. »Es führte keine Brücke vom Tod in Auschwitz zum ›Tod in Venedig‹.« Améry überlebte, schrieb nach der Befreiung wieder über das Lesen, nun, 1945, mit der Hoffnung auf eine sich erneuernde Gesellschaft, orientiert am revolutionären Frankreich und an der Résistance.

Bald folgte die Enttäuschung durch den Kalten Krieg und die ökonomische und soziale Restauration. Der ökonomische Druck zwang ihn, der nicht in Deutschland publizieren wollte, sich auch nicht entscheiden konnte, auf Französisch zu schreiben, zur journalistischen Verwertung seiner Arbeiten in der Schweiz. Mehr als 5 000 Zeitungsartikel, zum großen Teil lesenswerter professioneller Journalismus, hatte er hinter sich, als er in der Zeit des Frankfurter Auschwitz-Prozesses von einer kritischen Generation Intellektueller zur Mitarbeit an deutschen Kultur- und Literaturzeitschriften und an Rundfunksendern eingeladen wurde. Nun begann er, sich aus dem stummen »Bann« des Nach-Auschwitz zu befreien und zu sich selber zu finden »im Bild des jüdischen Opfers«. Aus diesem Bewusstsein entstanden von 1964 an seine Essays über Literatur und Film. Literarisches Schreiben, Erzählen, war von früh an sein Traum gewesen, und nun konnte er Prosa schreiben, eine nachdenkliche Prosa in Essayform, die selbst dort, wo sie polemisch ist, wie die beiden hier abgedruckten Essays, als Grundschicht eine »durch Meditation gebrochene, persönliche Konfession« erkennen lässt (Améry in den Vorworten zu seiner ersten Essaysammlung »Jenseits von Schuld und Sühne«, 1966 und 1977, Werke, Bd.2).

Er wollte mit seinem Schreiben vor allem die jungen Leute in Deutschland erreichen, wollte, als einer, der die Katastrophe der Judenvernichtung miterlebt hatte, dass sie diesen Bruch der Kultur in ihrem politischen Denken realisierten – und nicht eine »faule, gedankenlose, grundfalsche Versöhnlichkeit« akzeptierten: »Es geht mir darum, dass die Jugend Deutschlands – die bildsame, wesenhaft generöse und nach Utopie strebende, also: die linke – nicht unversehens hinüber gleitet zu jenen, die ihre Feinde so gut sind wie die meinen« (Werke, Bd.2). Es sieht so aus, als seien heute, 25 Jahre nach dem Tod von Jean Améry, die Voraussetzungen für die Realisierung dieses Wunsches günstiger als noch zu seinen Lebzeiten. Er hatte sich gewünscht, neben Theodor W. Adorno als ein Lehrer der Jugend in Deutschland aufgenommen zu werden. Sein Denken ging, anders als das von Adorno, von seinen lebensgeschichtlichen Erfahrungen aus, gewissermaßen von der biographisch verkörperten geschichtlichen Dialektik. Darum schrieb er auch keine eigentlich philosophische Sprache, tat alles, um verstanden zu werden. Nur einem Hang zu sprachlichen Archaismen und aus dem Französischen geschaffenen Fremdwörtern konnte er nicht widerstehen. Für die Fachkritik hat er nie schreiben wollen.

Amérys Begriff vom Lesen und Schreiben kann man indirekt den paar kritischen Sätzen über die »Sterilität der Fachkritik« entnehmen, die in dem hier abgedruckten Godard-Essay vorkommen. Was er zu sagen hat, orientiere sich nicht an der »Fachkritik« der elitären Filmzeitschriften, sondern seine Überlegungen wollen die eines »leidlich kinogewohnte(n) Zuschauer(s)« sein. Dieser »leidlich kinogewohnte Zuschauer«, also ein Alltagskinogeher wie wir, verwandelt sich im Essay in ein politisch nicht korrektes Ich, wird zur kritischen Stimme, die sich von den gängigen Werten freimacht, sich ablöst vom selbstverständlichen Chic der Avantgarde und, im Sinne Brechts, nach der Funktion der Spielregeln der wohlfeilen Schocks fragt. Der alte Kinogeher wird zum Dekonstruktivisten, der nach der Bildsyntax in den Filmen Godards fragt, das unverbunden dargebotene »Vokabular der Epoche« nicht hinnimmt, sondern im scheinbar Unkonventionellen eine Form der Anpassung an die Publikumserwartung und die strukturalistische Filmkritik zu erkennen meint. Der gerühmten »romantischen Ironie« Godards, in der Améry das Schielen nach dem fortschrittlichen Marktsegment des Kinopublikums bemerken will, begegnet er mit der Ironie des politischen Aufklärers, der im Kino »eine moralische Anstalt unserer Zeit« verteidigt und sich nicht abfindet mit der »Weltrevolution« als filmische »Bagatelle«.

Der Essay zu Gustav Freytags Roman »Soll und Haben« zeigt eine andere Spielart von Amérys politischer Kritik, die sich in der sprachlichen Form jeweils auf den verhandelten Gegenstand einzustellen weiß. Gegen den einst meistgelesenen deutschen Roman, dem nicht einmal dokumentarischer Wert zuzugestehen ist, hilft nur die Satire. Der satirische Essay ruft in Erinnerung, was von diesem Zerrbild eines Gesellschaftsromans ausgespart wird: die deutsche Geschichte. Im Gegenzug zur biedermeierlichen Romanwelt skizziert Améry eine pointierte Ideologie- und Sozialgeschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert, lesbar als Vorgeschichte der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. In der altväterlichen Gestalt des einstigen Hausbuchs der Deutschen wird so das spätere ökonomische deutsche Sendungsbewusstsein genauso entdeckt wie die Elemente jenes exterminatorischen Antisemitismus, der »zugleich ›gesund-volkshaft‹ und auf abstoßende Weise raffiniert« ist. Die »paar stenographischen Sigel«, die Améry auch in anderen Essays gern denen an die Hand gibt, die das Buch nicht gelesen haben, sind letztlich, wie alle Lektürehilfen in seinen Essays, erhellende gesellschaftskritische Skizzen, unprätentiöse Signaturen einer geschichtlichen Geistesgegenwart, die Améry mit seiner Kunst des Lesens vermitteln möchte. Was er sich gewünscht haben dürfte, war, dass sein Erzählen über die gelesenen Bücher und die gesehenen Filme nicht einfach nur »Wissensvermittlung« wäre, sondern, wie es Günter Kunert einmal von Jean Amérys Essays sagte, »die Vermittlung einer Perspektive, einer Sichtweise, einer Haltung«. Hans Höller, Herausgeber des Bandes 5 der Werkausgabe Amérys Jean Améry: Jean-Luc Godard oder Das Mißverständnis der künstlerischen Freiheit (1968) Nach der Pariser Uraufführung von Godards »La Chinoise« (im letzten Herbst) schrieb der Filmkritiker von Le Monde: »Nachdem man einen Film von Jean-Luc Godard gesehen hat, kommen einem alle anderen irgendwie archaisch vor.« Wenige Wochen darauf sah man in Sartres Zeitschrift Les Temps Modernes eine dem gleichen Film gewidmete Glosse, in der es hieß: »Godard ist geschickt wie ein Chinese, aber nicht ein Chinese des Typs Rote Garde.

Was Garde angeht, so ist er eher ›un chien de garde‹ – ein Wachhund. Dieser Film ist in der Tat vollkommen konservativ, um nicht zu sagen: reaktionär! Aber dank der Originalität der Form geht der Traditionalismus des Inhalts durch …« Ich habe keine Lust und keinen Beruf, mich hier in die Für-und-Wider-Diskussion um Godard einzumengen, die heute in Deutschland kaum weniger aufgeregt geführt wird als in Frankreich. Ich bin kein zünftiger Filmkritiker, kein »Fachmann«, nur ein leidlich kinogewohnter Zuschauer. Was ich hier vorzubringen habe über die Arbeiten Godards und, am Rande, gewisser seiner Generationsgenossen, die vor genau zehn Jahren als Reiter auf der »Nouvelle Vague« vor die Öffentlichkeit hintraten, kann und will nicht bestehen vor der Fachkritik. Es will aber – und diese Ambition greift höher – sowohl die Sterilität besagter Fachkritik bloßstellen als auch verweisen auf die soziale und kulturelle Umwelt, die Godards Arbeiten bedingen: eine Welt der in volle Konfusion geratenen Wertkategorien.

Die angeführten Zitate führen uns mitten hinein in die Problematik: Le Monde beurteilt »La Chinoise« nach rein formalen Kriterien, der Befund ist dementsprechend für Godard überaus schmeichelhaft. Les Temps Modernes hingegen führen das soziale, beziehungsweise politische Wertmaß ein, lassen zwar daneben das formale gelten, ordnen dieses aber jenem unter, so daß die Erwägungen in eine entscheidende Ablehnung einmünden. Wenn es nun in der Tat so ist, daß ein Kunstwerk vor den ästhetischen Kriterien besteht und vor den sozialen versagt, liegt dies nicht an der Geratenheit oder dem Mißlingen des Werkes, noch an den theoretisch mehr oder minder soliden Grundlagen der Bewertung. Es liegt an der Gesellschaft, die nicht imstande ist, ihr ästhetisches und ihr soziales Referenz-System in Übereinstimmung zu bringen. Das alte Nietzsche-Wort von der Kultur als Einheit des Stils in allen Lebensäußerungen gilt noch immer: Lebensäußerungen in diesem Sinne sind der soziale Welt- und der ästhetische Kunstwille. Um es dezidiert und roh zu vereinfachen: wo das Schöne nicht zugleich das Gute und Rechte ist, dort ist zwar weder das Schöne nicht schön, noch das Rechte nicht recht, wohl aber hat die darüber befindende Gesellschaft die Kraft sowohl zum Schönen als auch zum Rechten nicht mehr. Jean-Luc Godard, Jahrgang 1930, ist eine glänzende filmschöpferische Begabung, die nur leider ganz und gar frei im Raume schwebt. Er kommt, gleich François Truffaut, Claude Chabrol, Pierre Käst, Doniol-Valcroze, aus der Equipe der Cahiers du Cinéma, die seit Ende des zweiten Weltkriegs dem französischen Film wichtige Impulse gab. Er war Filmtheoretiker, bevor er Filmautor wurde. Doch zeigen seine theoretischen Arbeiten die gleiche phantasievolle und poetische Inkonsistenz, die seine Filme kennzeichnet.

Man liest einen Artikel Godards mit Ergötzen – und fragt sich nachher, was man denn nun eigentlich erfahren habe. Man sieht einen Godard-Film mit Zustimmung, ja Entzücken, aber schon auf dem Nachhauseweg, sobald erst die Stimmung abklingt, ist man seiner Billigung nicht mehr sicher. Die romantische Ironie seiner Filme schlägt oft ins Possenhafte und wohlfeil Schockierende um – Geist vom Geiste Heines. Und seine Verfremdungen sind denen Dürrenmatts verwandter als der Dramatik Brechts. In seinen Äußerungen provoziert er den Intellektuellen und den Proleten ebenso wie den Bourgeois, wenn er etwa erklärt: »Ein Künstler steht notwendigerweise links, so wie Kennedy und Chruschtschow rechts standen, weil sie beide totalitär gesinnt waren. Links sein heißt für einen Regisseur nicht, daß er den Arbeiter an der Werkbank zeigt. Ein Film wie der angeblich sozial engagierte englische Streifen ›Saturday Night and Sunday Morning‹ war rechts und reaktionär.« Oder: »Ich sah mir (als junger Mensch) die sogenannten Meisterwerke der französischen Filmarchive an. Bei Fernandel und Gabin wurde mir schlecht … am Ende zog ich einen ›schlechten Wildwestfilm‹ einem ›guten‹ Duvivier-Film vor.« Den Karel Reisz-Film »Saturday Night and Sunday Morning« als reaktionär zu bezeichnen, nur weil sein Regisseur sich einigermaßen herkömmlicher, dabei stets brillant beherrschter Mittel bediente, nicht einmal die großartige Leistung Albert Finneys gelten zu lassen, ist natürlich barer Unsinn. Nicht zu sehen, daß der frühe Fernandel ein vortrefflicher Komiker war, heißt filmblind sein (was Godard selbstverständlich nicht ist, es ging ihm ja auch nur um den Jokus).

Des jungen Gabin fast erdrückende Filmpräsenz wegzuleugnen, ist pubertäre Vertrotztheit. Vor Duvivier in den Western flüchten, bedeutet Schule schwänzen – als wären nicht zumindest und bei Anerkennung des Faktums, daß Duvivier auch schlechte Filme gemacht hat, »Pépé le Moko«, »La Bandera«, »Voici les temps des assassins« innerhalb der Möglichkeiten ihrer Zeit Arbeiten allerersten Ranges. Gerne würde man Godards radikale Ablehnung des traditionellen französischen Films gelten lassen als die notwendige Überschreitung einer überständigen Ästhetik – wenn nur seine eigenen Arbeiten ein höheres spezifisches Gewicht besäßen und wenn seine Ästhetik mehr wäre als die Forderung einer Freiheit, von der leider schon ein kleiner Schritt in die Narrenfreiheit hineinführt. Godards unbestreitbare Meisterschaft – und hier hat der Kritiker von Le Monde durchaus recht, wenn er von der »archaischen« Wirkung aller anderen Filme im Vergleich zu denen Godards spricht – erschöpft sich in einer allerdings hinreißenden Fülle formaler Ideen: die heisere, sterbende Stimme des Herrscher-Computers aus »Alphaville« (es war die Stimme des alten François Mauriac!); die Hundertwasser-Spirale, die in der »Chinoise« der geistesgestörte Maler durch die Räume der Kommune zieht; die fast unerträglich intensive Vietnamkrieg-Sequenz des gleichen Films, in der ein paar Spielerei-Flugzeuge mit Haifischzähnen ein blutbeschmiertes, als Vietnamesin stilisiertes Mädchen anfallen, das verzweifelt schreit: »Au secours, Monsieur Kossygin!« Überschaut man aber das gesamte, schon sehr reiche Opus dieses Filmautors, so wird man unweigerlich erkennen, daß viele dieser formalen Einfälle aus der Requisitenkammer der Epoche stammen, aus der sie – wie Pop-Art und Op-Art – mit fast journalistischem Flair für die Zeitungsaktualität herausgeholt wurden. Dabei soll nichts dagegen vorgebracht werden, daß Godards Filme Elemente des zeitgenössischen kulturellen Klimas aufnehmen und wiedergeben: daß man in der Epoche des nouveau roman das alte, logische und langsam gedrehte flashback zum alten Eisen wirft und dafür ein freies Spiel mit der Zeit treibt, ist nur selbstverständlich; daß man, während längst der Roman schon auf die zusammenhängende Story verzichtet, diese auch im Film nicht mehr brauchen kann, sie optisch atomisiert und sie, wie Jean-Louis Conolly in den Cahiers du Cinéma schreibt, nur noch als einen Vorwand benützt, ist vorgezeichnet in den Mustern des modernen Bewußtseins, das bereits auch der »naive« Zuschauer entwickelt hat, so daß ihn die Undeutlichkeit des filmisch Aufgewiesenen, das kein Erzähltes mehr sein kann, nicht länger stört. Jedoch, bei Godard hat man vielfach den Eindruck, als seien die Fakten eines verwandelten Welt- und Kunstgefühls nicht eigentlich assimiliert.

Es wird uns einfach das Vokabular der Epoche geboten, mit zahllosen optischen oder auch ausgesprochenen Anspielungen auf moderne Literatur, Philosophie, Soziologie. Das gleiche gilt für die Thematik seiner Filme. Auf eine fast schon fatale Weise ist dieser Autor immer aktuell. Der Algerienkrieg stand auf der Tagesordnung – und das gab bei Godard »Le petit soldat«. Eine Wochenschrift (Le Nouvel Observateur) veranstaltete eine Enquete über die angeblich um sich greifende Amateur-Prostitution kleinbürgerlicher Frauen in den großen Wohnblocks an der Peripherie von Paris, die Tagespresse bemächtigte sich des pikanten Gegenstandes – und Godard machte »Deux ou trois choses que je sais d’elle«. Ein science-fiction-Alpdruck legte sich auf die Brust der ins Computer-Zeitalter eintretenden Franzosen, die das 19. Jahrhundert so sehr lieben – Godard drehte »Alphaville«. Bei den Studenten machten Mao-Kommunisten von sich reden, worauf Godard mit der »Chinoise« hervortrat. Die Affäre Ben Barka und Vietnam erregten die Gemüter der Zeitungsleser: Godard inszenierte »Made in USA«, in dem ein Gangster den Namen McNamara führt. Dank dieser einerseits aktuellen, andererseits in den fragmentarischen Plots häufig an die Tradition des amerikanischen Gangsterfilms anknüpfenden Thematik entstehen Werke, die ebenso avantgardistisch wie kommerziell sind.

Mit Recht durfte die amerikanische Wochenschrift Time schreiben, daß das »Publikum heute willens ist, für ein neuartiges Produkt zu zahlen«. Das »neuartige Produkt« ist bei Godard stets so verfertigt, daß es breiten Absatz finden kann. Der fortschrittliche Intellektuelle konsumiert es zum Zwecke modernistischer Selbstachtung, die Samstag-Abend-Zuschauer im Nachbarschaftskino langweilen sich nicht. Mag sogar, wie in »Vivre sa vie«, das inkohärente Geschwätz eines betagten Philosophen mit Leibniz, Kant und Kierkegaard über die Leute hingehen, sie nehmen es dem Autor nicht übel; die raffiniert, nach dem besten Muster amerikanischer B-Pictures aufgebaute Mordszene am Schluß entschädigt sie reichlich. Keineswegs will ich insinuieren, Godard drehe seine Filme nach Box-Office-Imperativen, er sei »aktuell« wie der Journalist des Groschenblattes. Ich glaube nicht, daß Godard dem Zeitgeschehen atemlos nachjagt. Eher habe ich das Gefühl, daß er diesem Geschehen hilflos ausgesetzt ist, kein Diener seiner Zeit, sondern im doppelten Wortsinne ihr Kind. Man könnte sich, nur versuchsweise, das nicht gerade kostspielige und etwas altmodische Vergnügen leisten, persönlich-psychologische Motive zu suchen für Godards Hinfälligkeit an alles Zeitgemäße. Er ist, wiewohl in Paris geboren, schweizerischen Ursprungs, Sohn einer vornehmen und vermögenden protestantischen Familie aus Genf. Nicht undenkbar, daß in seinem Spiel mit dem Film der Protest des jungen Mannes aus gutem Hause gegen das angestammte Milieu liegt. Gleichfalls ist vorstellbar, daß der super-pariserische, ausgesprochen mondän orientierte Modernismus unseres Autors die Kompensation ist jenes Minderwertigkeitsgefühls, das jeder französischsprachige Ausländer (Wallone, Westschweizer, Kanadier), ja sogar der Provinzfranzose in den Pariser Salons empfindet und das von den Parisern, die allerwegen nur ihre Stadt sehen, ihre Kunst, ihre Literatur, kräftig genährt wird. Man lasse mir diese Randbemerkung hingehen, ich insistiere nicht weiter darauf. Godard wäre mit einer solch naiven Interpretation seines Schaffens gewiß unzufrieden. Denn er ist anderes gewohnt. Nicht nur die Cahiers du Cinéma, die seine Wiege waren, sondern die gesamte über Tageszeitungsniveau hinauslangende französische Filmkritik, ja nachgerade auch die noch sehr junge und der französischen ziemlich abgehetzt nachlaufende deutsche »Filmologie« verfällt in ein pseudophilosophisches Interpretationsdelirium, an dem wahrscheinlich die »Nouvelle Critique« um Roland Barthes und seine Freunde nicht ganz unschuldig ist. So hat man jahrelang in den Cahiers die ermüdendsten Analysen lesen können, in denen Hitchcock und Lang als Metaphysiker des Films gefeiert wurden, während man Marcel Carné oder René Clair keines Brauenzuckens mehr würdigte. Heute ist Godard nicht mehr Deuter, sondern Gegenstand der Deutung, und was über ihn geschrieben wird, kann sich sehen lassen neben den Hitchcock-Rhapsodien.

Man soll nicht spielen mit Zitaten, die aus ihrem Kontext gelöst wurden; doch kann ich es mir in diesem Falle nicht versagen. In einem Büchlein über Godard von Jean Collet (Editions Seghers, Paris) lese ich: »Die ganze Logik von ›Alphaville‹ beruht auf der strikten Anwendung eines binären Systems, es ist dies das System der Datenverarbeitungsgeräte und ist zugleich das wichtigste Konditionierungsinstrument des modernen Menschen … Godard ist der Zeuge einer Welt, die zu schwer ist und zu voll, einer Welt, die sich auflöst und auflösen muß. Um sich wie wieder zusammenzufügen? Das ist die Frage, die seit sieben Jahren seine schöpferischen Schritte bewegt.« In der quasi offiziösen deutschen Filmzeitschrift Filmkritik (2/67) heißt es: »Wie Hermann Broch (!) dem Roman Erkenntnisfunktion zuwies, so funktioniert der Film bei Godard, freilich viel gebrochener … dieses Wagnis, die romantische Progression und der geradezu abenteuerliche Anspruch erklären die extreme Subjektivität der Filme Godards.« In Film (4/67) steht: »Godards Versuch, möglichst jede Rede in Frage zu stellen, findet in der Tautologie ihre natürliche Grenze. Sie ist, weil sie keinen von der sprachlichen Form ablösbaren Sinn mit sich trägt, die reinste Form eines Satzes. Sie enthält wenigstens eine – wenn auch wenig tröstliche – Gewißheit, nämlich: sie ist sinnlos.« Wollen diese Beispiele beweisen, daß Film und »Filmologie« endlich erwachsen wurden, daß filmdramaturgische Gesetze sich herausbildeten, daß die Filmkritik eine präzise Fachsprache entwickelt hat? Eher das Gegenteil: Godards Film-Ludus, sein »jeu sans règles« geben auch der Filmologie den Weg ins Unverbindliche frei. Die Interpretation weist die gleichen spielerischen Elemente auf wie ihr Gegenstand. Man tastet sich zurück in die eigene Kindheit. Die genaue Sprache und die gründlichen Analysen der verstorbenen Filmtheoretiker Georges Sadoul, Siegfried Kracauer, André Bazin sind vergessen. Damit man mich recht versteht: es geht mir nicht um eine Polemik gegen Godard. Bei keinem seiner Filme habe ich mich bisher gelangweilt, ein besseres Kompliment kann man einem Regisseur kaum machen. Es sollte nur auf die Ambiguität seiner Schöpfungen verwiesen werden, auf ihren Mangel an Stil und – bei der vollen Anerkennung ihrer Originalität – auf ihre Gewichtslosigkeit. Da steht Godard natürlich nicht allein. Das, was vor zehn Jahren als »Nouvelle Vague« hervortrat, laboriert generell an filmästhetischer Konfusion. Wie sehr man hinter der Aktualität auch her sei, man erfaßt sie nicht, besser gesagt: man erwischt nur ihre oberflächlichsten Erscheinungsformen am Zipfel. Das soziale und politische Ereignis, an dem man sich oftmals zu orientieren versucht, wird zumeist als ein Fremdkörper oder als Signal für den Zeitungsleser einmontiert – wenn wir absehen wollen vom dokumentarischen »Cinéma-Verité«. Wie flüchtig die soziale Wirklichkeit angeschaut wird, das erkennen wir nicht nur bei Godard, sondern auch bei einem von ihm so sehr verschiedenen Autor wie Claude Lelouch: die Vietnam-Aufnahmen in Lelouchs letztem Film »Vivre pour vivre« sind nichts als pittoreske Details, austauschbar mit beliebigen anderen, eingeblendet, um dem Werk einen zeitgemäßen Effekt zu geben. Die Realität der Gesellschaft indes, und sei sie hundertmal erwähnt, bleibt verborgen: hinter aktuellen Anspielungen (»La Chinoise«), hinter traditionellen Gangster-Plots (»À bout de souffle«), hinter naiver science fiction (»Alphaville«), hinter »ewiger« Liebespoesie (»Un homme et une femme« von Lelouch), hinter dem sich selbst persiflierenden filmischen Kriminalroman (»Trans-Europ-Express« von Robbe-Grillet). Auch Frankreich befindet sich in einem noch gar nicht abzusehenden Prozeß wirtschaftlicher, industrieller und sozialer Umwälzung, aber der junge französische Film schweigt darüber.

Ich meine nicht, daß unbedingt, wie Godard verachtungsvoll schreibt, »der Arbeiter an der Werkbank« gezeigt werden muß, wiewohl vielleicht ein Film, der den Zusammenstoß des Arbeiters mit der Automation zum Gegenstand hat, gar nicht so uninteressant wäre. Aber es ist denn doch befremdlich, wie die wirkliche Welt der Franzosen, die ihr Dasein ausmacht, aus dem Film ausgespart ist. Sofern überhaupt von der beruflichen Tätigkeit der Protagonisten die Rede ist, handelt es sich um Glamour-Jobs: Testfahrer und Script-Girl (Lelouch: »Un homme et une femme«), TV-Star-Reporter (Lelouch: »Vivre pour vivre«), Air-Hostess und prominenter Schriftsteller (»La peau douce« von Truffaut). Dort, wo ausnahmsweise einmal das Milieu kleiner und kleinster Leute geschildert wird, wie in Agnés Vardas »Le bonheur«, bleibt die Arbeitswelt reine Staffage: daß der Held des Films ein Tischler ist, hat keine Relevanz für den Film. Man denkt mit einiger Melancholie zurück an den poetisch-sozialen Realismus, wie er in der Zwischenkriegszeit den französischen Film beherrschte. Gewiß, dort war die gesellschaftliche Frage vielfach eingekleidet in den Miserabilismus (»Poil de carotte« von Renoir) oder in Kriminaldramatik (»Pépé le Moko« von Duvivier), oder es überwog das romantische-atmosphärische Element bei weitem das soziale (»Quai des brumes« von Carné und Prévert). Doch konnte man damals auch Arbeiten sehen wie »La belle équipe« von Duvivier, in denen zumindest der Versuch gewagt wurde, ein konkretes soziales Problem – in diesem Fall die Erwerbslosigkeit – durchzuarbeiten. Nach dem Krieg war es vorbei mit dem poetisch-sozialen Realismus, nur noch in Carnés unvergeßlichem Meisterwerk »Les portes de la nuit« (1947) und vielleicht in »Antoine et Antoinette« von Jacques Becker verspürte man die letzten Wellenschläge eines Genres, in dem Thematik und Ästhetik akkordiert waren; heute ist es vergessen – und verachtet. Nun soll hier nicht einer bestimmten Form des sozialen Realismus das Wort geredet werden, die ihre Zeit hatte und von der Zeit überholt wurde. Es liegt auf der Hand, daß man in den fünfziger Jahren nicht wieder den Faden aufnehmen konnte, den in den Dreißigern die Jean Renoir, Duvivier, Carné, René Clair gesponnen hatten.

Der italienische Neo-Realismus brach ein mit seiner viel spontaneren und brutaleren Annäherung an die soziale Wirklichkeit, und als auch diese Welle verebbt war, mußte notwendigerweise eine neue kommen: eben die »Nouvelle Vague« und nach ihr die heute herrschende »nouvelle Nouvelle Vague«, deren gewiß stärkste Begabung der hier zur Rede stehende Godard ist. Man kann Godard nicht den Vorwurf machen, er halte sich abseits von den Zeitproblemen oder er zaubere die gute, alte elegante Evasionswelt herauf. Im Gegenteil. Er ist, ich sagte das schon, auf nachgerade beängstigende Weise aktuell, womit ich meine: Der Zeit verfallen oder auch ausgeliefert. Ob Sartre oder der Marxismus oder der Strukturalismus oder Brecht die aktuellen Signale sind, Godard läßt sie aufblitzen und gibt in seinen Filmen einen Abzug jener »homogenisierten Zivilisation«, von der der amerikanische Kulturkritiker Dwight MacDonald gesprochen hat. Wollte man unfreundlich sein, man könnte ihn auf amerikanisch einen »name-dropper« nennen, einen Mann, der auf Biegen und Brechen aktuelle Namen nennt, als seien seine Arbeiten eine gefilmte Salon-Konversation. Immer zielt er auf das sogenannte Zeitproblem, sei es die Wirkung der Massenmedien und der verdinglichenden »Choses« in »La femme mariée«, sei es der Algerienkrieg oder der Peking-Kommunismus. Eigentümlich ist dabei nur, wie dieser Autor sich dabei zugleich jenseits der Zeit zu stellen scheint, und dies auf zweierlei Weise: einmal in der thematischen Aussageform, indem er sich hütet, Positionen zu beziehen (für oder gegen die Studenten-Kommune, für oder wider den Algerienkrieg); zum anderen in seiner Ästhetik, die durch Kaskaden von Verfremdungseffekten das Thema, jedes Thema, neutralisiert. Was für die übrigen Künste längst eine – wenn freilich auch recht diskutable und sogar dubiose – Selbstverständlichkeit ist, will Godard für den Film sich erobern: die Autonomie des Kunstwerks. Das Kunstwerk nicht als Wiedergabe, sondern als Fortsetzung der Wirklichkeit oder auch als eine Wirklichkeit eigenen Rechts: das ist im Grunde eine sehr alte Forderung (der, wiewohl sie das Gegenteil intendierten, auch strenge Naturalisten wie Holz und Schlaf einst sich beugten) und eine ewig neue, unerfüllbare. Es ist hier nicht der Platz, die Frage aufzuwerfen, wohin das Verlangen nach Autonomie der Sprache etwa die moderne Lyrik und den nouveau roman striktester Observanz (Philippe Sollers) hinführt. Was den Film betrifft, so ist es jedenfalls klar, daß ein immer autonomerer Film als optisches Ereignis schließlich einmünden müßte in den abstrakten Film: eine Abfolge von bewegten Bildern, deren ästhetischer Zusammenhang nur für den Autor gegeben wäre und der eines Plots nicht einmal als eines Vorwandes bedürfte. Daß dieser hypothetische abstrakte Film schließlich vom Interesse des Menschen verlassen würde, scheint mir gewiß. Dergleichen konsequentes Verhalten ist freilich bei Godard trotz seiner Autonomiebestrebung nicht zu befürchten, zu sehr will er gefallen, zu sehr ist er »homme du métier«.

Liegt also, wie ich glaube, eine Radikalisierung der Autonomie-Forderung nicht in der Linie von Godards Talent, so dürfte andererseits sein Verlangen nach künstlerischer Freiheit ein stets dringenderes werden. Wir haben dieser Godard’schen Freiheit sehr viel zu verdanken. Daß nach ihm möglich ist, was vordem unmöglich erschien, bedeutet Bruch, Umbruch, Aufbruch der Filmkunst, man kann nicht ausdrücklich genug darauf verweisen. Doch kommt man nicht umhin, den Sinn dieser Freiheit in Frage zu stellen. Godard gibt sich frei: frei von Moralin (»À bout de souffle« und »Pierrot le Fou«), frei vom Realismus der Dekoration (»La Chinoise«), frei von herkömmlicher Psychologie (»La femme mariée«), frei auch von der Logik des Dialogs. »Je voudrais que tu m’aimes, et puis, en même temps je voudrais que tu ne m’aimes plus«, sagt eine Godard-Frau, und der Godard-Interpret Jean Collet erklärt: »Die Personen Godards drücken die Logik des Unlogischen aus«. Die totale Freiheit Godards ist also eine Freiheit des Spiels, aber eines Spiels, das keine Regeln hat, und deshalb kaum noch als Freiheit durchgehen kann. Jede Freiheit muß rigoros bestimmt sein durch eine Unfreiheit: sie wird Freiheit im Akte der Befreiung von dieser. Angewendet auf die künstlerische Freiheit heißt dies aber, daß sie stets nur Befreiung sein kann von einem Gesetz: einem tradierten oder einem sich selbst gesetzten. Wo aber der Filmschöpfer sich alles erlauben darf, weil, wie Time schrieb, »das Publikum bereit ist, für das neue Produkt zu zahlen« (für jedes neue, wäre ergänzend hinzuzusetzen) – dort hat der Begriff des Erlaubten keinen Sinn mehr; die künstlerische Freiheit hebt sich selbst auf. Von der Freiheit der »nouvelle Nouvelle Vague«, die sich im box-office die Bestätigung holt, daß sie lukrativ ist, kann dann unversehens der Weg in den totalen Kommerzialismus führen, den das Publikum immer noch besser honoriert: Louis Malle, der Meister von »Ascenseur pour l’échafaud« und »Les Amants«, fand sich plötzlich in den Kommerzialgefilden von »Viva Maria«. Von der intellektuellen Avantgarde, die ästhetisch und sozial frei im Raume schwebt, ist nur ein Schritt zurück zu »Papas Kino«.

So leicht glitten einst die Carné, Duvivier, Renoir nicht in den Schund ab. Nun verschleudern sich die Begabungen zu kleinen Preisen. Kein Zweifel, daß Malle, Truffaut, Godard, Chabrol stärkere kreative Potenzen sind als etwa die Regisseure des »free cinema« jenseits des Kanals. Wenn trotzdem dieses mit Werken wie »Saturday Night and Sunday Morning«, »A Taste of Honey«, »Girl with Green Eyes«, »Morgan«, ja sogar mit dem bald zehn Jahre alten, formal unbeträchtlichen Film »Room at the Top« von Jack Clayton dem Durchschnittszuschauer, als den ich mich hier bekenne, mehr bedeuten als die Pariser Produkte, dann kann es nur an ihrer sozialen Relevanz liegen, die von den jungen Franzosen mit einer Handbewegung abgetan wird. Man sprengt in Paris die Klischee-Realität des herkömmlichen Films auf, das ist ein wichtiges, ein unerläßliches Unternehmen. Man verzichtet aber in der Suche nach einer authentischeren Form des Wirklichen, da doch das Suchen so viel Spaß macht, auf die Wirklichkeit schlechthin. So erging es im Roman Robbe-Grillet. So ergeht es im Film Jean-Luc Godard. Man stellt die Frage nach der Ursache und findet sie auf kürzestem Wege. Desengagement, Entideologisierung, Entpolitisierung seien hier zunächst nur als Schlagworte hingesetzt. Auch und gerade in Frankreich wird die zweite industrielle Revolution vollzogen von einer Schicht von Technokraten und Spezialisten, die in einem Universum leben, das dem Laien unzugänglich ist. Als am Beginn der fünfziger Jahre der Traum von Résistance und Revolution ausgeträumt war und Marcel Carné mit dem Werk »Portes de la nuit« das letzte Chanson des sozial-poetischen Realismus sang, wurde die Welt der »Sachlichkeit« (hier gemeint im Sinne von Hermann Brochs »Huguenau oder die Sachlichkeit«) erschaffen. Management, Marketing, Computers, human engineering und public relations: ein neues Vokabular war da, wurde schnell auswendig gelernt und blieb dabei doch unverstanden. Staunend hörte man, da sei eine Überflußgesellschaft ausgebrochen, die das soziale und ideologische Problem gelöst habe, man glaubte auf den Buchstaben, was die gute Presse schrieb. Den Filmschöpfern (wie den Romanciers, den Dramatikern, den Lyrikern) blieb nichts übrig, als ihre Unzuständigkeit zu erklären und sich zurückzuziehen auf – nein: nicht die »ewigen Probleme«, wie man vor fünfzig Jahren gesagt hätte, vielmehr auf die »recherche«, die formale Untersuchung ihrer Mittel, allenfalls auf die Absurdität, die ein »ewiges« Problem ist, das als ein solches sich nicht eingesteht und sich stattdessen zeitgemäß kostümiert. Der Ernst des Lebens war vorüber, beziehungsweise war Sache der Fachleute. Das Spiel begann, mit ihm die Freiheit der Kunst, die »Autonomie des Kunstwerks« – und dann wundert man sich, daß als einzige Spielregel verblieb, was Herbert Marcuse die »repressive Toleranz« nennt. Daß die Koexistenz der Stile den Stil zunichte gemacht hat, wirkt sich nämlich gerade für die Sinnesmöglichkeit des Films negativ aus. Denn für ihn gilt auf die verführerischste, die negativste Weise, daß die Generalerlaubnis zu dieser »Autonomie« von der Wirtschaft erteilt worden war – wenn nur das Produkt, das niemals der attraktiven Präsentation und ansprechenden Verpackung in traditionelle Erotik und ebenso traditionelle Violence ermangelte, von einem konsumgehorsamen und konditionierten Publikum akzeptiert wurde: Louis Malle und Jean-Luc Godard verkauften sich fast ebenso gut wie die letzten Superproduktionen aus Hollywood. In Godards theoretischen Artikeln ging es noch her mit Husserl und Hegel, aber da in »À bout de souffle« die Bettszenen so wohlgelungen waren wie Belmondos Todesjagd, bestand kein Grund zur Beunruhigung. So brennt Godard als desengagierter junger Herr, der den Richtspruch saueren Moralisten überläßt und die Aktion den Fachleuten, das Feuerwerk seines hinreißenden Talents ab. Für ihn, Kind seiner Zeit, sind die Probleme der Epoche eine Skala von Anregungen und ein Wortschatz. Marx, science-fiction, eine soziologische Enquête, eine Denunziation und ein Ehebruch, das gilt gleichviel. Er ist niemandem verpflichtet als sich selbst – und dem Financier: solange dieser auf seine Rechnung kommt, ist des Autors kreative Freiheit total. Niemand mag da den Spielverderber machen, nicht einmal der Philosoph Francis Jeanson, der in »La Chinoise« als intellektueller »pére noble« im Tweed die unglaublichsten Banalitäten über die politische Chancenlosigkeit der revolutionären Kommune von sich gibt.

Leer geht aus, wer da vom Kino fordert, daß es eine moralische Anstalt unserer Zeit sei. »Du mußt dein Leben ändern«, fiel mir ein, als ich Bressons »Mouchette« sah. Nach Godards »Chinoise«, wo es nicht um das Geschick eines Bauernmädchens ging, sondern um die Bagatelle der Weltrevolution, dachte ich nur daran, wie schade es doch ist, daß Godard sich nicht geändert hat. Jean Améry: Schlecht klingt das Lied vom braven Mann (1978) Anläßlich der Neuauflage von Gustav Freytags »Soll und Haben« »… Auf den Balkon des Hauses trat durch die geöffnete Tür eine zierliche Frauengestalt im hellen Sommerkleide mit weiten Spitzenärmeln und einer liebenswürdigen Frisur, wie sie Anton von alten Rokoko-Bildern her kannte; er konnte deutlich die feinen Züge ihres Gesichts erkennen und den klaren Blick des Auges, welches auf dem Rasenplatz unter ihren Füßen ruhte. Die Dame stand auf das Geländer gestützt bewegungslos wie eine Statue, und Anton blickte ehrerbietig zu ihr hinauf. Endlich flog aus der offenen Tür hinter der Dame ein bunter Papagei, setzte sich auf ihre Hand und ließ sich von ihr liebkosen. Dies glänzende Tier steigerte Antons Bewunderung. Und als dem Papagei ein fast erwachsenes Mädchen folgte, welches schmeichelnd den Hals der schönen Frau umschlang, und als die Dame zärtlich die Wange des Mädchens an die ihre drückte und als der Papagei auf die Köpfe der beiden Damen flog und laut schreiend von einer Schulter zur anderen sprang, da wurde das Gefühl der Verehrung in unserem Anton so lebhaft, daß er in tiefer Scham errötete und sich tiefer in den Schatten des Gebüsches zurückzog. Er dachte an die beiden schönen Frauengestalten und ging elastischen Schritts, wie einer, dem etwas Fröhliches begegnet ist …« Woraus zitiere ich? Aus einem Werk der alten Mamsell Marlitt? Aus einem Familienroman von Rudolf Herzog? Aus der vielgeschmähten Courths-Mahler gar, die in Gottes Namen niemals etwas anderes hat sein wollen als eine artisanale Manufaktur für kleinbürgerliche Erbauungs-Unterhaltung? Die »liebenswürdige Frisur« spräche für letztgenannte Annahme, ebenso wie der »elastische Schritt« und das züchtige »Erröten« des von so viel Schönheit überwältigten Jünglings Anton. – Aber warum das Spiel weitertreiben! Ich nahm mir ganz aufs Gratewohl eine halbe Seite aus einem der berühmtesten Romane der deutschen Literatur vor, einem voluminösen Werk, das in Prachtausgaben jahrzehntelang die Bücherborde unserer Väter und Großväter zierte, neben Goethe, Schiller, Uhland und Theodor Körner, zwecks Seelenstärkung und kaufmännischer Ertüchtigung kommender Geschlechter –: aus Gustav Freytags Bildungsroman »Soll und Haben«. Auch mir ist dieses Buch, Geschenk meines Franz-Josephs-bärtigen und auch sonst staatserhaltenden Großpapas nicht erspart geblieben; aber es hat mich schon als Vierzehnjährigen so aggressiv gelangweilt, daß ich es nach dem ersten Kapitel mit Widerwillen weglegte und mich besserer Lektüre zuwandte: den Abenteuern Tarzans, den bewegten Sagen des klassischen Altertums – und natürlich Schiller, bei dem allemal was los war, Donner und Doria! Und nun, berufshalber und auch aus ehrlichem Interesse, denn, wie ich vernahm, hätte man den Text aus dem Jahre 1855 verfilmen sollen, was man aber dann vermied, machte ich mich noch einmal an die Lektüre, und jetzt ging ich schweißtriefend bis ans bittere bzw. eigentlich süße Ende: denn selbstverständlich geht die Geschichte des braven Mannes Anton Wohlfahrt, der entgegen allen schlimmen Versuchungen und Fährnissen dem guten deutschen Kaufmannsstand die gebotene Treue hält, gut aus: er heiratet die Schwester des Chefs. Einheirat – das Ziel eines jeden strebsamen Jünglings, dem das traute Heim, das Hauptbuch, der redliche Gewinn des Lebens heiligste Güter sind. Muß ich die Geschichte erzählen oder darf ich mich darauf verlassen, daß die Leser sie ohnehin kennen? Ich weiß nicht. Ein paar gleichsam stenographische Sigel mögen jedenfalls von Nutzen sein, auch für diejenigen, die Freytags Werk gelesen haben. Anton Wohlfahrt – nomen est omen –? Sohn eines ehrlichen, aber armen Kalkulators, wird nach des Vaters Tod in die ehrsame Breslauer Firma Schröter aufgenommen. Er bewährt sich nicht nur als fleißiger Kontor-Lehrling, sondern hat alsbald auch die Gelegenheit, seinem auf redlichen Gewinn und die Verbreitung deutscher Kommerz-Zivilisation bedachten Chef bei gefährlicher Mission zur Rettung soliden Warengutes gegen aufständisches Polen-Gesindel beizustehen. Das Verdienst und der Verdienst sind austauschbare, im Grunde identische Größen: man wird es dem wohlfahrenden Anton im Kontor und auch im Herzen der Chef-Schwester Sabine auf seinem Haben-Konto hoch anrechnen, daß er die deutsche Brust ohne Furcht und Tadel den polnischen Horden darbot, auf daß sowohl Ehre wie Geld der Firma erhalten blieben. Freilich, die böse und zwielichtige Welt außerhalb des Handel und Wandel treibenden, damit die Welt erschließenden Kaufmannstandes setzt den guten Anton manchen Versuchungen aus. Denen der bösen Juden, die, wie es bei Busch heißt, »mit krummer Nase, krummer Fers’ und krummer Hos’ tiefverderbt und seelenlos«, sich nach der hohen Börse schleichen, widersteht er ohn’ jede Müh’.

Anders schon ist es mit dem Adelsstand, der wiewohl er doch wirtschaftlich untergeht, im Range aber immer noch hoch über ihm steht, Anton zu sich hinaufziehen möchte, auf seelen- und geldgefährdende Weise! Denn da ist ein höchst hinreißender Wildfang von Mädchen, Leonore von Rothsattel, Tochter eines Edelmanns mit amateurhaft kaufmännischen Ambitionen, die für ihn manches übrig hat, glücklicherweise aber nicht genug, denn am Ende nimmt sie einen Standesgenossen, den Herrn von Fink, einen wahrhaft tollen Kerl, der sich in Amerika mit Indianern schoß, mit Pferden und Mädchen umzugehen weiß wie nur einer, dazu steinreich ist und daneben noch ein Witzbold mit brillanten Repliken. Immerhin, Anton Wohlfahrt ist so sehr von der wildfängischen Lenore entzückt, daß er vorübergehend seine hoffnungsvolle Stellung im Hause Schröter aufgibt, um als Bevollmächtigter des heillos untüchtigen Barons Rothsattel in einem gottverlassenen Nest ein Landgut, das ständig von polnischen Banden bedroht ist, zu verwalten und mannhaft zu verteidigen. Aber er findet sich wieder, man ist entzückt, die frohe Botschaft zu vernehmen. Das Schicksal ist ihm auf freundliche Weise dabei behilflich: Lenore und der tolle Fink fallen in eine jener Leidenschaften, die dem Bürger ohnehin nicht zustehen, und die Schröter-Chef-Schwester Sabine, die ihrerseits zeitweise der Anziehungskraft des frohen Finken verfallen war, wendet sich dem in jeder Hinsicht verläßlicheren Wohlfahrt zu. Soweit ein paar die Handlung betreffende Anhaltspunkte. – Und nun zur einerseits für mich leichten, andererseits den wahrscheinlich majoritären Freunden des Buches nicht unmittelbar einleuchtenden Kritik. Der Verlag, der jüngst auch den großartigen, ganz zu Unrecht vergessenen Erzähler Otto Ludwig herausbrachte, nimmt sich kein Feigenblatt vor den Mund: »Die Lektüre dieses Romans gehört zum Interessantesten und Fesselndsten, das uns die deutsche Epik des vergangenen Jahrhunderts zu bieten vermag«, heißt es im Klappentext. Nicht mehr und nicht weniger als das. Die Leute sind nicht eben verfroren, wenn’s ums Anpreisen ihrer Ware geht: man kann auch klarer sagen, sie seien unverfroren. Was da fesselt, ist mir dunkel. Aber die Wege des Literaturbetriebs sind so rätselhaft wie die des Herrn. Das Buch erschien in einer schönen Aufmachung, und für das Nachwort gewann man sogar Hans Mayer, Titelhalter des ersten Platzes unter den Kritikern des deutschen Bildungs- und Besitzbürgertums. Hans Mayer lehnt Freytags Roman ab. Daß er dennoch das Nachwort schrieb, ist nicht recht erklärlich, denn wenn man ein literarisches Werk zugleich als ästhetisch unbedeutend und politisch gefährlich einschätzt, tut man doch wohl am besten, darüber zu schweigen. Aber das ist Sache des Nachwortschreibers, und wenn ich hier meinerseits zu diesem Elaborat mich äußere, begehe ich vielleicht die gleiche kleine Sünde, deren Hans Mayer sich schuldig machte. Allerdings bin ich gesonnen, mich schärfer zu fassen als der berühmte Kollege. Ich halte Freytags Buch für eine literarische Mißgestalt und für eine politische Niederträchtigkeit, womit, wenn ich recht habe, ihr auch jeder dokumentarische Wert genommen ist: Karikaturen sind keine realitätsgetreuen Abschilderungen. Und Freytags Werk nimmt sich gelegentlich so aus, als sei es eine (etwa von Robert Neumann verfaßte) Parodie seiner selbst. Da sehen wir zum Beispiel den Wohlfahrt Anton im Angesicht der räuberischen, dreckigen, heimtückischen und feigen Polen, die das Gut des Barons von Rothsattel angreifen. Also spricht der wackere junge Herr sich zu: »Um uns herum ist für den Augenblick alle gesetzliche Ordnung aufgelöst, ich trage Waffen zur Verteidigung meines Lebens und wie ich, hundert andere mitten im fremden Stamm. Welches Geschäft auch mich, den einzelnen, hierher geführt hat, ich stehe jetzt hier als einer von den Eroberern, welche für freie Arbeit und menschliche Kultur einer schwächeren Rasse die Herrschaft über diesen Boden abgenommen haben. Wir und die Slawen, es ist ein alter Kampf. Und mit Stolz empfinden wir: auf unserer Seite ist die Bildung, die Arbeitslust, der Kredit.« Jede Nation hat den Kipling, den sie verdient: die Deutschen hatten ihren Gustav Freytag samt dessen Wohlfahrt; bei dem besseren Imperial-Sänger Kipling wäre in diesem Zusammenhang das lächerliche Wort »Kredit« unmöglich. Freytag ist in der Tat auf diesen Kredit so stolz wie der Engländer auf seiner Landsleute »white man’s burden«. Bei Freytag geht die Plattitüde über das Inhaltliche hinaus und wird zur ästhetischen Selbstaburteilung. »Zwei Formen künstlerischer Unkultur«, heißt es an einer Stelle bei Karl Kraus: »die Wehrlosigkeit vor dem Stoff und die Wehrlosigkeit vor der Form.« Hinzuzusetzen wäre allenfalls, daß überall dort, wo ein Autor, und namentlich ein epischer, wehrlos ist vor dem Stoff unter seinen Händen, unmöglich eine reine Form gedeihen kann.

Wo schlecht gedacht wird, dort kann nicht gut geschrieben werden, und wer die läppische Genugtuung am kaufmännischen Kredit der erobernden Deutschen feiert, ganz ohne Selbstanfechtung, ohne eine Spur von ironischer Distanz, in spießerhaft-seliger Selbstzufriedenheit, der kann unmöglich das vollbringen, was der Klappentext anpreist: einen Roman von »dokumentarischem Wert«. Denn was wird hier dokumentiert? Nicht etwa die Epoche nach 1848 in den deutschen Landen, in der ein niemals durchdachter, geschweige denn praktizierter Liberalismus sich mauserte zum dreisten Nationalismus; nicht die Heraufkunft des Industrieproletariats; die militaristisch getönte deutsche Einigungsbestrebung so wenig wie die Kämpfe, die zwischen der als Machtträger in den Hintergrund gedrängten Adelskaste und der Bourgeoisie ausgefochten wurden. Der Adel, verkörpert durch den Baron Rothsattel einerseits, den wohlfeil geistreichen Herrn von Fink andererseits, wird als ranghaft übergeordnet nicht in Frage gestellt: Wenn der Held Anton Wohlfahrt auf die schöne, reit- und schießgewandte Rothsattel-Tochter Lenore verzichtet und sie dem ihr standesgemäßen Fink überläßt, tut er dies zwar mit dem stillen Stolz dessen, der weiß, daß die Zukunft nicht den Junkern gehört, sondern den Handelsherren, zugleich aber im Gefühl seiner Unterlegenheit. Warum denn nach den Sternen greifen? Das Gute, das Geld, liegt doch so nahe; aber die Sterne bleiben Sterne gleichwohl und leuchten hoch über dem Hauptbuch-Alltag. Und von den Arbeitern mag man gar nicht erst reden. Sie sind Staffage und haben bieder-unterwürfig zu sein. Nichts ärgerlicher als die Geschichte des schwer arbeitenden Lastträgers der Schröter-Firma, der einem schmucken Offizier, dem Sohn des Barons Rothsattel, mit inniger Bereitschaft seine Ersparnisse zur Deckung von Spielschulden leiht bzw. schenkt, denn der von Bier und Arbeitslust genährte Auflader weiß sehr wohl, daß er die vorgestreckte Summe niemals zurückerhalten wird. Aber er findet das in guter Ordnung. Und der Romancier klopft ihm gleichsam auf die Schulter, als wolle er sagen: Deine Dummheit, Alter, und die des Schnösels Rothsattel ergänzen einander, denn beide wißt ihr nicht hauszuhalten mit Gottes Geldsegen; tut nichts, es ist ganz recht, daß du gibst! Dem Bruder Leichtfuß, der am Ende auch ein Sternchen ist am Himmel der deutschen Gesellschaft, kommt es so zu; dein Teil sei das Bewußtsein erfüllter Arbeiterpflicht. Man kann tiefsinnig werden, bedenkt man, daß Gustav Freytags Werk zwei Jahre vor Flauberts Madame Bovary erschien. Bei dem aus dem Hochbürgertum stammenden Franzosen ein wütender Ekel vor der Bourgeoisie und ihrer Dummheit, beim Deutschen nur würdig nickendes Einverständnis. In der Normandie ein wenn auch nur marginal sich dartuendes tiefes Mitgefühl mit den Erniedrigten und Beleidigten – ich denke da an die ergreifende Szene, wo einer alten Bauernmagd für fünfzigjährige Dienstschaft auf demselben Hof eine wertlose Silbermedaille von einem blödsinnigen Präfekturrat überreicht wird! –, an der Oder nichts als satte Jasage zur Condition inhumaine der, wie es später dann geheißen hat, »Arbeiter der Faust«. Flaubert schildert den Händler als den gemeinen Wucherer L’heureux, der Emma Bovary schließlich in den Tod treibt. Freytag, Germanist, Literaturdozent und dem realen Leben der Sozietät so fremd wie ein um die Sammlung folkloristischer Dokumente bemühter Oberlehrer den Bauern, will nichts anderes wahrnehmen als den die Königskrone modest in der Truhe aufbewahrenden redlichen Kaufmann, der eine völkerverbindende, zivilisatorische Mission hat, über der er selbstverständlich die deutsche Prädestination zur europäischen Hegemonie nicht vergißt. Und wiederum stoße ich hier auf das schwierige Problem von Stoff und Form. Wo man sich einem Stoff ganz ausliefert – also: im Sinne von Karl Kraus wehrlos ist vor ihm! –? dort ist man als Autor auch unfähig zur eigenständigen Formgestaltung. Erst wenn man den Gegenstand als Widerstand erkennt, sucht man nach einer neuen Sprache; erst dann öffnet sich der dichterische Horizont, vor dem die Metaphern aufsteigen. Noch anders ausgedrückt: Der Geist, der dichterische so gut wie der philosophische, ist seinem Wesen nach Negation der vorgefundenen Wirklichkeit, ist der Stachel, der sie durchdringt, auf daß sie werde, was sie zuinnerst ist. Freytag, im Gegensatz nicht nur zu Flaubert, sondern auch zu Gottfried Keller, verspürt diesen Stachel nicht, operiert ihn nicht heraus aus sich, um ihn als sprachliche Waffe einzusetzen. Er ist unverwundet und will auch nicht verwunden. Hier ist allerdings eine Einschränkung zu machen; ich habe mich zu korrigieren. So harmlos ist unser gelehrter Romanschriftsteller auch wieder nicht. Er versehrt sehr wohl, allerdings nur dort, wo der Widersacher ohnehin am Boden liegt und wo man sich, ihn verletzend, an seiner Ohnmacht zum Gaudium der Wohldenkenden und Kreditwürdigen weiden kann. Vor der aggressiven Verachtung der Slawen, für die sich erschreckende Beispiele finden, die uns an Hitlers denkwürdiges, während des Polenfeldzugs von 1939 zu neuem Leben erwecktes Wort von der »polnischen Wirtschaft« erinnern, habe ich schon gesprochen.

Noch ärger als ihnen, denen da und dort immerhin eine gewisse wilde Kampfesfreude zugebilligt wird, was Kontormännern und Literaturprofessoren stets imponiert, auch wenn sie es nicht eingestehen – viel schlimmer als den bösen Polen ergeht es bei Freytag den zugleich feigen und aufdringlichen, unterwürfigen und frechen, ungebildeten und diabolisch schlauen Juden. – Ich gebe zu, daß ich hier nicht ganz unbefangen bin. Durchaus fühle ich mich persönlich betroffen. Aber ich darf beteuern, daß Befangenheit und Betroffenheit mir nicht die Urteilsfähigkeit trüben. Es gibt in der deutschen Literatur genug Zeugnisse eines vulgären Antisemitismus: an hohen, höchsten Stellen. Nietzsches Jugendbriefe aus Leipzig beispielsweise, wo von den ekelhaften »Judenfratzen« die Rede ist, denen der unglückliche Pastorssohn aus Röcken bei Lützen in der Metropole Leipzig auf Schritt und Tritt begegnete. Die bösartigen Worte haben mir niemals den Blick auf Nietzsches Genialität verstellt. Desgleichen habe ich stets Wilhelm Hauff, der es in seiner packenden Novelle »Jud’ Süß« und mehr noch in seinem großartigen Buch »Memoiren des Satans« entschieden schlimmer trieb als Freytag, als einen der geist- und phantasievollsten Erzähler Deutschlands anerkannt. Noch weniger haben Thomas Manns antisemitische Anwandlungen, die von den Buddenbrooks bis zu »Wälsungenblut«, ja, noch weiter reichen, auch nur im mindesten meine Liebe und Verehrung dieses Dichters beeinträchtigt. Im Falle Freytag aber verhält es sich anders. Sein Antisemitismus ist zugleich »gesund-volkshaft« und auf abstoßende Weise raffiniert. Für ihn sind die Juden das, was sie – unter freilich völlig anderen Vorzeichen – für seinen Zeitgenossen Karl Marx waren, die elenden Abfallprodukte des von ihm gefeierten, von Marx verurteilten Kapitalismus. Was für Freytag allenfalls schlecht sein kann an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung – es wird den Juden und nur ihnen in ihre vertretenen Schuhe geschoben Es werden in »Soll und Haben« verschiedene Typen dieser ethnisch-religiösen Gruppe vorgestellt. Ein einziger von ihnen ist einigermaßen sympathisch, der Sohn des Maklers Ehrenthal, ein weltabgewandter Gelehrter. Aber der Autor läßt ihn schnell verschwinden: »Abgang durch Tod«, wie es im Nazi-KZ hieß; der einzige gute Jude ist ein toter Jude, basta. Alle anderen jüdischen Gestalten werden dem »gesunden Volksempfinden« entsprechend gezeichnet. Also wird der Händler Ehrenthal, der darauf aus ist, den aus mangelnder Kenntnis der Geschäftsusancen ohnehin gefährdeten Baron Rothsattel zugrunde zu richten, um sich in den Besitz seines Gutes zu bringen, eingeführt: »Herr Ehrenthal war ein wohlgenährter Herr in seinen besten Jahren mit einem Gesicht, welches zu rund war, zu gelblich und zu schlau, um schön zu sein; er trug Gamaschen an den Füßen, eine große Busennadel auf dem Hemd und schritt mit großen Bücklingen und tiefen Bewegungen des Hutes durch die Allee dem Baron entgegen …« Nichts fehlt: weder die physische Unansehnlichkeit, noch der aufdringliche Schmuck, noch die heimtückische Unterwürfigkeit, die den Leser alsogleich Böses ahnen läßt. Ehrenthal redet selbstverständlich ein unmögliches Deutsch. Seine Geschäftspraktiken sind undurchsichtig – was sage ich: sie sind so durchsichtig übel, daß jeder gute Deutsche sofort weiß, wie gefährlich es ist, sich mit solchen Leuten einzulassen. – Aber Ehrenthal, Vater des mit Hurtigkeit um die Todesecke gebrachten jungen Gelehrten, kommt vergleichsweise noch gut weg: der Autor billigt ihm Familiensinn zu, wenngleich auf eine Weise, die den Leser sofort ins Bild bringt darüber, daß es eine Eigentümlichkeit der jüdischen Rasse ist, tribal zusammenzuhalten, da man doch den blöden Goj mittels unverbrüchlicher Familiensolidarität am besten prellt. Die anderen Juden – man hat den Eindruck, als sei der Verfasser geradezu traumatisch fixiert gewesen auf diese ekligen Leute – sind gleichsam der Gottseibeiuns in höchsteigener Person. Da lernen wir zum Beispiel Schmeie Tinkeles kennen – ja: Schmeie Tinkeles; ich erzähle nicht etwa einen blöden Judenwitz aus dem Stegreif, halte mich vielmehr streng an den Text. Schmeie Tinkeles! Ein huschender, ewig mit anrüchigen Geschäften befaßter und, was den Autor offenbar am meisten in Rage versetzt, dem ordentlichen Wohlfahrt sich ständig auf unappetitliche Art anbiedernder Schatten. Ein wohlgelungener Scherenschnitt, den man sich am Biertisch grinsend herumreicht. Die absolut widerwärtigste Figur aber ist der verbrecherische Jude Veitel Itzig, ein ehemaliger Schulkamerad Anton Wohlfahrts, der im Laufe der Erzählung diesem gegenübergestellt wird wie das total negative, teuflische Prinzip dem guten und humanen. Das Scheusal wird präsentiert wie folgt: »Junker Itzig« – man vermerke bitte die feine Ironie der Bezeichnung »Junker«! – »Itzig war keine auffallend schöne Erscheinung. Hager, bleich, mit rötlichem, krausem Haar, einer alten Jacke und defekten Beinkleidern, sah er so aus, daß er einem Gendarmen ungleich interessanter sein mußte als anderen Reisenden.« Was tut’s. Anton, der grundgütig ist und keine Vorurteile kennt, hatte sich seinerzeit auf der Schule sogar für den Unsympathischen geschlagen, wenn Mitschüler ihn verhöhnten. »Seither«, heißt es weiter, »hatte Itzig eine gewisse Anhänglichkeit an Anton gezeigt, welche er dadurch bewies, daß er sich bei schweren Aufgaben von seinem Beschützer helfen ließ und gelegentlich ein Stück von Antons Buttersemmel zu erobern wußte …«. Wie denn auch anders: Der Schandjude kann nur schändlich handeln, weil er es eben so will. Veitel Itzig geistert durch Freytags Buch als eine zugleich lächerliche und satanische Erscheinung. Aus lauter Raffgier und Unehr-Geiz wird der Itzig schließlich sogar zum Mörder eines seiner Kumpanen, ehe er selber das wohlverdient gräßliche Ende nimmt: das moralische metaphysische Weltgleichgewicht, die prästabilierte Harmonie wird erst wieder hergestellt, nachdem alle bösen Juden aus der Welt geschafft sind. Wer wohlfährt, der triumphiert über die Spuk-Dämonen, heiratet die Schwester des Chefs und öffnet unter dem Zeichen »Mit Gott« sein neues Soll- und Haben-Konto, dessen stattliche Bilanz der wohlgeneigte und befriedete Leser mit dem Gefühl von Sicherheit vorausahnen darf.

Man möchte meinen, es habe die deutsche Bourgeoisie der Mitte des 19. Jahrhunderts keine wichtigeren Sorgen gehabt als die grundschlechten Juden und die verwilderten Slawen. Allein diese grobe Verzeichnung der Verhältnisse müßte schon genügen, um Freytags Buch als Dokument zu disqualifizieren. Womit ich nicht sagen will, es seien nicht für alteingesessene Kaufleute in Breslau tatsächlich die übermäßig rührigen und moralisch nicht zimperlichen, aufstrebenden Juden eine peinliche Konkurrenz gewesen; und es soll auch nicht abgestritten werden, daß für die Oder-Deutschen die Polen, die sich partout nicht fügen wollten in die aus dem Westen importierte Sauber-Ordnung, ein wirkliches Problem waren. Unvergleichlich bedeutsamer und gefährlicher für die Wohlfahrts & Co. war aber ganz gewiß die Heraufkunft des Vierten Standes, der für den Romancier nur ein pittoreskes Detail ist. Mit der grobschlächtigen Verzeichnung der sozialen Landkarte fällt aber nicht nur der dokumentarische, sondern auch der ästhetische Wert des Werkes. Verzeichnung ist wohl ein legitimes Stilmittel – jedoch nur so lange, wie sie geistreich und witzig ist oder auch visionär-expressionistisch. Noch einmal sei als Vergleich Flauberts »Madame Bovary« herangezogen. In diesem Buch macht der Autor reichlich Gebrauch vom Mittel der Karikatur, namentlich bei der Zeichnung des Fortschritts-Philisters, des Apothekers Homais. Was aber bei dem Franzosen böse und grausam satirisch ist, das wird beim Deutschen schmatzend, selbstzufrieden und vor allem: wohlfeil, im Ausverkauf angeboten. Die Ironie ist plump und hebt damit sich selber auf; die Satanisierung (im Gegensatz auch zu der eines Hauff!) ist nicht apokalyptisch, sondern sittsam. Hier hat ein mittelmäßiger Autor ein mittelmäßiges Buch für mediokre Leser geschrieben: dies ist so klar zu sagen, wie Hans Mayer es in seinem allzu fürsichtigen Nachwort leider nicht gesagt hat. – Ebenso charakteristisch für die triste Mittelstands-Intelligenz des Schriftstellers Freytag ist auch die Darstellung der adeligen Schicht. Sie ist zugleich respektvoll (wie denn auch anders: der Zeitgenosse einer Revolution, die keine war, der Vorfahr des Wilhelminismus ahnt, daß diese Leute noch lange nicht ganz am Ende sind und daß darum Zurückhaltung geboten ist!) wie auch auf unerträgliche Weise überheblich: die ständigen Bücklinge verbergen nicht die falsche Selbstgewißheit einer Bourgeoisie, die sich im Besitze der Macht wähnt, aber dieser Macht noch keine rechte Legitimität zuspricht, da eine solche nicht nur erworben werden muß, durch eisernen Kaufmannsfleiß, sondern auch ererbt. Was Freytag dem Adel, der verkörpert ist in dem Baron Rothsattel, dessen schön-kühler Gattin, seinem zum Glücksspiel neigenden Sohn und seiner stolz-wilden Tochter, vorzuhalten hat, ist allenfalls Mangel an weltlicher Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit. Einerseits kommt dem Autor nicht in den Sinn, daß es sich da um eine brutale Unterdrücker-Kaste handelt, andererseits erkennt er nicht – denn, ach, er ist nur Literaturprofessor und sitzt, wenn überhaupt, sicher elend zu Pferde – die ästhetischen Werte, die der Geburtsadel einschließt. Wenn ich mir was vom Adel erzählen lassen will, dann noch lieber von dem arroganten Börries von Münchhausen, der wenigstens weiß, wovon er spricht, zu schweigen von dem wunderbaren Eduard von Keyserling, in dem sich schon ausdrückt, was nachmals die ganz unsentimentale Gräfin Dönhoff in ihrem Buch »Namen, die keiner mehr nennt« literarisch zu Ende geführt hat: die Melancholie einer Schicht, die den rechten Adel erst in ihrem Untergang findet und in einer stillen Resignation. Freytags Bürgerstolz ist nicht einer vor Königsthronen: er ist Ausdruck einer kleinbürgerlichen Selbstgefälligkeit, für die der Besitz selber keine moralische Größe hat und für die Bildung ihrerseits nicht mehr bedeutet als geizige Aufsammlung von Kenntnissen, die sich kleinlich verwerten lassen. Unter solch tristen Voraussetzungen kommt nichts weniger zustande als ein realistischer Roman. Kleinbürgerliche Süffisanz bildet einen Schleier, hinter dem soziale Realität ebenso unsichtbar wird wie individuell-humane. Jedes psychologische Vorhaben wird unmöglich, wo Denk- und Redeklischees im Wege stehen. Freytag hat sich nicht einmal bemüht, diese Hürde zu nehmen. Beim besten Willen vermöchte ich nicht zu sagen, was an diesem Buch beachtenswert ist. Ich frage mich sogar, was den Verlag zu einer immerhin kostspieligen Neu-Auflage veranlaßt haben kann – und gebe mir die naheliegende Antwort: die Hoffnung auf Verfilmung. Somit liegt ein knappes Nachwort zu der inzwischen abgeschlossenen Debatte über die Fernseh-Adaptation von »Soll und Haben« nahe. Wäre der Regisseur dem Text treu geblieben, das Ergebnis hätte selbst bei menschenfreundlichsten Intentionen nur ein übles antislawisches und antisemitisches Machwerk werden können, eine Art leicht mit Zivilisations-Firnis überstrichener Veit Harlanscher »Jud’ Süß«. Hätte man sich andererseits vom Geist und Text Freytags wegbewegt, dann würde man konsequenterweise ein Anti-Soll-und-Haben produziert haben, also: nicht eine Verfilmung der literarischen Vorlage, sondern eine kritische und schließlich vernichtende Auseinandersetzung mit ihr. – Ich bin gegen jegliche Einschränkung künstlerischer Freiheiten und hätte, wäre es auf mich angekommen, schon aus prinzipiellen Gründen kein Veto einlegen wollen gegen die Verfilmung dieses Romans. Aber ich muß zugeben, daß ich erleichtert bin bei dem Gedanken, daß die polnischen Mordbrennerhorden, die Schmeie Tinkeles und Veitel Itzig nicht über Millionen bundesdeutscher Fernsehschirme gehen werden. – Es gibt ja so viele ungehobene Schätze. Warum nicht einmal Kellers Grünen Heinrich optisch präsent machen? Warum nicht Otto Ludwigs »Zwischen Himmel und Erde«? Warum nicht Ferdinand von Saar oder die Ebner-Eschenbach! Die deutsche Literatur des XIX. Jahrhunderts ist nicht so arm, daß man es nötig hat, ausgerechnet auf Freytag zu kommen.

Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus Jean Améry: Werke. Hrg. v. Irene Heidelberger-Leonard, Bd.5, Klett-Cotta, Stuttgart 2003. 640 Seiten, 34 Euro. Das Buch erscheint im August.

Jungle World
Jungle World (Nummer 30 vom 16.07.2003)

DG / hagalil.com / 2003-07-25

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