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Skinheads Sächsische Schweiz (SSS):
Beichten und frei sein

Auch im zweiten Prozess gegen die Skinheads Sächsische Schweiz verhängt das Landgericht Dresden milde Strafen. Wer geständig ist, darf nach Hause gehen...

Alexander Fichtner

Micha von der Aktion Zivilcourage Pirna ist sichtlich ernüchtert. »Die Einschätzung des Richters kann ich nicht nachvollziehen. Von wegen, die Angeklagten hätten keine schädlichen Neigungen mehr, so kahl geschoren, wie sie heute hier gesessen sind«, sagt er. Nach einwöchigem Prozess verkündete am vorigen Mittwoch die dritte Strafkammer des Dresdner Landgerichts das Urteil gegen elf Mitglieder der verbotenen Neonazigruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Es fiel milde aus.

Die Männer im Alter von 22 bis 26 Jahren wurden wegen der Bildung beziehungsweise der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu Jugendstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren verurteilt. Die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Nur zwei Angeklagte müssen Teile der Verfahrenskosten tragen, die wegen der Kürze der Verhandlung gering ausfallen.

Das Gericht und die Verteidigung hatten sich schon vor dem Urteil auf das Strafmaß geeinigt. Der Richter Tom Maciejewski stellte den Angeklagten im Fall eines Geständnisses Bewährungsstrafen in Aussicht. Die Staatsanwaltschaft stimmte dieser Absprache zu. Über ihre Anwälte gaben die Angeklagten ihre Schuldbekenntnisse ab. Nur zwei von ihnen erklärten, dass sie ihre Taten auch bereuen.

Damit ging der zweite Prozess gegen Mitglieder der SSS mit ähnlichen Ergebnissen zu Ende wie schon der erste im Mai dieses Jahres, in dem die Rädelsführer der Organisation ebenfalls nur zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Nach dem Urteil sind nun noch 20 von 82 Verfahren gegen Mitglieder der SSS offen.

Die von Oberstaatsanwalt Jürgen Schär vorangetriebene Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 StGB führte kaum zur Aufklärung konkreter Taten. Und die Verfolgung zivilrechtlicher Klagen ist für die Opfer der SSS wegen der geringen Ermittlungsergebnisse schwierig.

Maciejewski betonte in seiner Urteilsbegründung den Charakter der SSS als kriminelle Vereinigung. Ziel der Gruppe sei es gewesen, Straftaten gegen politisch Andersdenkende zu verüben. Die im April 2001 als verfassungsfeindlich verbotene SSS habe es sich zum Ziel gesetzt, die Sächsische Schweiz von Linken, Drogenabhängigen und Ausländern »zu befreien«, wie sie das nannte. »Denen hat es schon gereicht, wenn jemand ein bisschen anders aussah, wenn sich jemand mal traute, einen Nirvana-Aufnäher zu tragen«, erzählt Tobias von der Aktion Zivilcourage.

Zu dem Programm der etwa 120 Mitglieder starken SSS gehörten in den neunziger Jahren Überfälle auf an der Elbe grillende Jugendliche, auf ein Rockkonzert in einer Kirchengemeinde oder auf Leute, die von der Disco nach Hause gingen. Sie klebte auch Wahlplakate der NPD und schützte Veranstaltungen der Partei.

An der Spitze der streng hierarchischen Organisation standen die bereits zu Bewährungsstrafen verurteilten Thomas S. und Thomas R. Nun stand die Führungsriege der so genannten Members of SSS vor Gericht, die innerhalb der SSS die zweite Ebene in der Hierarchie bildete. Die nächste Ebene bildeten die Aufbauorganisationen Oberes und Unteres Elbtal, für die sich Anwärter sechs Monate lang bewähren mussten. Die SSS besorgte sich Waffen und Sprengstoff, legte eine Kartei über mehr als 50 missliebige Personen an und gab eine Zeitung heraus.

»Es war wohl meine Sturm- und Drang-Zeit«, sagte der Angeklagte Rene S. vor Gericht. Der vierfach vorbestrafte 25jährige Kfz-Mechaniker sagte, er wolle nun ein ruhiges Privatleben führen, habe in Karlsruhe eine Arbeitsstelle und eine Freundin. Oberstaatsanwalt Schär betonte, die Mehrzahl der Beschuldigten habe eine Wende zum normalen Leben vollzogen, auch wenn es noch Überzeugungstäter gebe. Auch der Richter folgte dieser Argumentation. Die Taten lägen schon sehr lange, teilweise fünf Jahre zurück, die Angeklagten seien heute sozial integriert.

Die Integrierten saßen allerdings in typischer Szenekleidung, in Bomberjacken und Thor-Steynar-Pullovern, im Gerichtssaal. Bei der Verkündung des Urteils befanden sich auch der Dresdner Neonazi Sven Hagendorf und der verurteilte SSS-Aktivist Thomas R. im Publikum. R. betreibt nach wie vor »die unabhängige Informationsstruktur« www.elbsandstein.org. Zum 9. November äußerte er dort klar seinen politischen Standpunkt: »Seid bereit! Im Stillen! Denn der Kampf um Deutschland geht weiter!«

Mindestens eines der angeklagten Mitglieder der SSS scheint zu denen zu gehören, die nicht nur im Stillen aktiv sind. Gemeinsam mit zwei weiteren bekannten Tätern verübte der 24jährige André F. in der Nacht zum 20. August einen Anschlag auf eine Gruppe von Sinti und Roma in Gersdorf bei Pirna. Dabei zündeten sie ein Auto an. Das Verfahren gegen André F. wurde wegen der Überlagerung der beiden Anklagen abgetrennt, sein Prozess soll im Januar stattfinden.

Immer wieder werden Übergriffe und rechte Aktivitäten in der Region Elbsandsteingebirge bekannt. Anfang September wurden am »Tag der Sachsen« in Sebnitz auf einer Veranstaltung des DGB und der Aktion Zivilcourage zwei Person von Neonazis angegriffen. Der einen Personen wurde der Unterkiefer gebrochen, der anderen wurden zwei Zähne ausgeschlagen. An dem Angriff war Tino K. beteiligt, der ehemalige Anführer der SSS-Abteilung Oberes Elbtal. Er ist der Sohn eines Bundesgrenzschützers, und ein Verfahren wegen seiner Aktivitäten in der SSS ist anhängig.

Die Sächsische Zeitung zitierte in der vorigen Woche einen Sprecher des Verfassungsschutzes, der darauf hinwies, dass es seit Anfang des Jahres vermehrt Aktionen von Rechtsextremisten in der Sächsischen Schweiz gebe. Vorher habe die Szene taktische Zurückhaltung geübt. Die Verurteilungen im ersten Prozess im Mai hätten nur eine begrenzte Wirkung gezeitigt. Die Auskunft darüber, ob sich unter den Angeklagten der SSS auch Informanten des Verfassungsschutzes befanden, wurde allerdings wie schon im Mai auch bei dieser Verhandlung verweigert.

weitere Artikel zum Thema SSS:

SSS-Männer hoffen auf kurzen Prozess

Jungle World
Jungle World Nummer 48 vom 19.11.2003

kt / hagalil.com / 2003-11-19

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