Der Holocaust auf deinem Teller«, soll der Titel einer
Ausstellung lauten, die im Frühjahr in Deutschland gezeigt werden soll.
Organisiert wird sie von der Tierschutzorganisation »People for Ethical
Treatment of Animals« (Peta). Dass dieser Titel nicht lediglich eine mehr oder
minder geschickt gewählte Überschrift für eine gewöhnliche Ausstellung ist,
zeigt ein Blick auf die dazugehörige Homepage www.masskilling.com. Dort sieht
man die Exponate als Online-Animation. Ein Plakat wird gezeigt, auf dessen
linker Seite ein Leichenberg abgebildet ist. Rechts sieht man die Kadaver toter
Schweine.
Aus Bildern wie diesen besteht die Ausstellung. Es werden
Fotografien aus deutschen Konzentrationslagern neben Abbildungen abgemagerter
Tiere gezeigt. Die Botschaft ist simpel: Das Leid, das den Opfern der Nazis
widerfuhr, ist vergleichbar mit dem Leiden der Schlachttiere; der Holocaust
wiederholt sich täglich. So brachte Ingrid Newkirk, Mitbegründerin und
Präsidentin von Peta in den USA, die Philosophie der Organisation auf den Punkt:
»Sechs Millionen Juden starben in den Konzentrationslagern, aber sechs
Milliarden Hähnchen werden dieses Jahr in den Schlachthäusern sterben.«
1980 in den Vereinigten Staaten gegründet, avancierte Peta
schnell zu einer der meistbeachteten Organisationen im Tierschutzbereich. Nicht
nur die Kampagne »Lieber nackt als Pelz tragen«, für die Models wie Nadja
Auermann, Marcus Schenkenberg oder Cindy Crawford posierten, sorgte für
Aufsehen, auch sonst gelang es den Tierschützern oft, das mediale Interesse auf
sich zu ziehen.
In den USA, wo die Ausstellung unter dem Titel »Holocaust On
Your Plate« bereits gezeigt wurde, protestierten Vertreter jüdischer
Organisationen und die Anti-Defamation League gegen die Gleichsetzung.
Während der Zentralrat der Juden in Deutschland mittlerweile
prüft, ob nicht juristisch gegen die Ausstellung vorzugehen sei, sieht Harald
Ullmann, zweiter Vorsitzender von Peta in Deutschland, keine Veranlassung, die
Ausstellung zurückzuziehen. »Ich wüsste nicht, warum die Kampagne in Deutschland
verboten werden sollte. Wir sagen doch nicht, dass der Holocaust nicht schlimm
war.«
Ausführlich wird die Weltsicht von Peta in dem Buch »Eternal
Treblinka« von Charles Patterson dargelegt. Der industrielle Massenmord, der in
Auschwitz seinen Ausdruck fand, ist nach Patterson eine Entwicklung, die auf die
Industrialisierung der Schlachthöfe in den USA zurückgeht. Im Vorwort schreibt
die Peta-Aktivistin Lucy Rosen Kaplan von den »gemeinsamen Wurzeln des
Nazi-Genozids und des Schlachtens der Tiere«. Trotz der massiven Proteste gegen
die Ausstellung in den USA bekräftigte Harald Ullmann das Anliegen von Peta:
»Die Auschwitz-Assoziation ist gewollt. Wir wollen zeigen, dass das Tieren heute
noch passiert.«
Nach eigenen Angaben vertritt Peta 700 000 Mitglieder. Zu den
20 000 deutschen Unterstützern gehören u. a. Prominente wie Dirk Bach, die Toten
Hosen und Nina Hagen. Nina Ruge, die ebenfalls für Peta wirbt, distanzierte sich
von der geplanten Ausstellung: »Das unermessliche Leid der Juden für Werbezwecke
zu missbrauchen, ist eine ungeheuerliche Anmaßung.«
Bereits in den letzten Jahren sorgte die Organisation mehrere
Male für Aufruhr.
In einem Werbespot, der auf Viva und MTV zu sehen war, werden
Momente einer Deportation aus der Perspektive der Insassen eines Waggons
dargestellt. Während der Zuschauer die Landschaft vorbeiziehen sieht, hört er
den Text: »Im Dunkeln wurden wir in Waggons getrieben (…) Wie lange sind wir
schon unterwegs? Stunden, Tage (…) Viele von uns sind schon tot, doch die
Hoffnung stirbt zuletzt.«
Gesprochen wird der Spot von Thomas D., langjähriges Mitglied
von Peta und Sänger der Fantastischen Vier. Im Juni dieses Jahres äußerte er in
einem Interview, dass er fürchte, dass »die Kampagne auch noch gar nicht radikal
genug« sei.
Schon früher wandten sich die Tierschützer an den Papst mit
der Bitte, »Tiere in das historische Schuldbekenntnis als achten Punkt
aufzunehmen und sich öffentlich auch für den Holocaust, begangen an Milliarden
von unschuldigen Tieren, zu entschuldigen«. Eine Reaktion des Vatikans ist nicht
bekannt. Unterstützung erhofft sich Peta offenbar auch von Yassir Arafat. Auch
er gehört zu den Adressaten der offenen Briefe der Organisation. Im Februar 2003
schrieb Ingrid Newkirk persönlich an den Palästinenserführer, um sich für die
Rechte von Tieren einzusetzen. Anlass des Schreibens war ein Anschlag
palästinensischer Terroristen auf einen Linienbus in Jerusalem. Zu diesem Zweck
war ein Esel mit Sprengstoff beladen worden. Da die Bombe vorzeitig explodierte,
gab es außer einigen Verletzten keine Opfer. Newkirk bat nun Arafat, die »Tiere
aus dem Konflikt« zu halten. Eine Distanzierung vom palästinensischen
Terrorismus hielt sie ebenso für überflüssig wie eine Geste des Bedauerns
gegenüber den Opfern solcher Anschläge.
Ein weiteres pikantes Detail in Bezug auf die geplante
Ausstellung ist die Tatsache, dass einige der Fotos aus dem Bestand des
Holocaust Memorial Museum in Washington stammen, welches Peta schon Anfang des
Jahres aufforderte, die Verwendung einzustellen.
Nach Angaben des Museums hatte Peta die Erlaubnis, die Fotos
zu benutzen, unter Angabe eines anderen Zwecks eingeholt. Nachdem die
tatsächliche Konzeption der Ausstellung bekannt wurde, protestierte das Museum
in einem offenen Brief an Ingrid Newkirk, die Präsidentin von Peta. »Das United
States Holocaust Memorial Museum ist entsetzt von Petas absolut schamloser und
verachtenswerter Öffentlichkeitskampagne, die Millionen im Holocaust ermordeter
Männer, Frauen und Kinder mit Tieren gleichsetzt«, erklärt Fred Zeidman, der
Vorsitzende des Holocaust Memorial Council.
Nach Angaben von Harald Ullmann soll die Ausstellung trotz
aller Kritik im nächsten Jahr in Deutschland und anderen europäischen Ländern
gezeigt werden.