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Judentum und Israel
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Buchbesprechung:
Ich musste auch lügen

Nima Zamar will Agentin für Israel gewesen sein. Der Wahrheitsgehalt ihrer Biografie ist fraglich...

Berndhard Schmid

Das passiert nicht alle Tage: Der Berliner Kindler-Verlag hat vergangene Woche den angekündigten Titel »Ich musste auch töten« vorläufig aus dem Programm genommen, weil die Authentizität der Darstellung schweren Zweifeln unterliegt. Dabei sollte das Sachbuch, das als »atemberaubendes Dokument über den Geheimdienstkrieg im Nahen Osten« angekündigt wurde, ein »sensationeller« Knüller werden.

Nun will Kindler abwarten, bis der Pariser Großverlag Albin Michel, bei dem im Oktober 2003 die französische Ausgabe von »Ich musste auch töten« (»Je devais aussi tuer«) erschienen ist, die angekündigten Beweisstücke für die Echtheit der Darstellung vorlegt.

Das Buch wurde schon in Frankreich mit Skepsis aufgenommen. So verglich der Nouvel Observateur die Autorin mit dem Verschwörungstheoretiker Thierry Meyssan. In Deutschland wurde es in einem Beitrag für das ZDF-Magazin »aspekte« von Christhard Läpple, der sich mit der unter dem Pseudonym Nima Zamar auftretenden Autorin in Paris getroffen hatte, als »Fälschung« bezeichnet.

Das Milieu, in dem Nima Zimar, die sich als Französin osteuropäisch-jüdischer Herkunft vorstellt, sich über die 335 Seiten ihrer angeblich authentischen Erzählung hinweg bewegt, ist dazu angetan, dass der Leser sensationelle Enthüllungen erwartet, vielleicht sogar einen Einblick in weltumspannende Machenschaften und hoch geheime Pläne des Mossad. Denn die Autorin gibt an, sie habe acht Jahre lang als Agentin für einen israelischen Geheimdienst gearbeitet.

Ihre Einheit, ihren Dienstgrad und den Namen des Nachrichtendiensts, für den sie tätig gewesen sein will, nennt sie dabei allerdings nicht und verweist auf ihre Geheimhaltungspflicht. Daran will sie sich immer noch gebunden fühlen, obwohl doch ihre Vorgesetzten nach achtjähriger Zusammenarbeit versucht hätten, sie bei ihrer Ausreise am Flughafen von Beirut zu töten. Ein ehemaliger Kollege habe ihr dort eine tödliche Spritze verabreichen wollen, sie habe ihm aber dann selbst das den schnellen Herztod herbeiführende Mittel injiziert. Und zwar unter dem Auge von Überwachungskameras im Wartesaal des Flughafens.

Die Autorin gibt an, sie sei 1993 als gut Zwanzigjährige nach Israel ausgewandert, wo sie lediglich über zwei Kontakte verfügt habe. Da sie zu dem Schluss gekommen sei, dass man in Israel nicht zu gesellschaftlichem Ansehen kommen kann, wenn man nicht gedient hat, verpflichtet sie sich dann freiwillig bei den Streitkräften. Dort wird die junge Informatikexpertin, die nach eigenen Angaben nur ein holpriges Hebräisch spricht, dann gegen ihren Willen für den Nachrichtendienst rekrutiert. Sie wird in eine Zelle gesperrt und hat faktisch die Wahl, ein oder zwei Jahre für nichts abzusitzen – oder einen Zehn-Jahres-Vertrag zu unterschreiben.

Nun darf es als sehr unwahrscheinlich gelten, dass ein – als effizient geltender – Geheimdienst MitarbeiterInnen gegen ihren Willen rekrutiert. Zwar will Nima Zamar noch einen Rest an eigener Motivation aufgebracht haben, da sie an ihre von Nazis misshandelte Mutter gedacht und sich dabei gesagt habe: »Wir dürfen nie wieder wehrlos sein.« Als Ausgangsbasis für die Rekrutierung als Geheimdienst-Arbeiterin von höherem Niveau erscheint das freilich ein wenig dünn.

Wenig später scheint sie auch noch perfekt oder jedenfalls unauffällig Arabisch zu sprechen, das sie bis dahin offensichtlich nicht beherrschte.

Nach ihrer Schilderung wird sie dann zunächst in die palästinensichen Gebiete eingeschleust – unter der Legende, sie sei eine Schweizerin, die von palästinensischen Eltern abstamme und nunmehr das Familienerbe für die palästinensische Sache ausgeben wolle. Wegen des Geldes sei sie willkommen gewesen. Ihr nächster Einsatz habe sie in den Libanon geführt, wo sie die Hizbollah infiltrieren wird. Relativ bald wird sie demnach auf einen »Lehrgang« in Libyen geschickt, wo den Teilnehmern eine derartige Paranoia eingeimpft werden soll, dass sie sich gegenseitig töten müssen – wobei die Autorin nach eigenen Angaben mit dem ersten Mord den Anfang machen muss. Von 30 Teilnehmern hätten nur elf überlebt, darunter zwei Frauen.

Vom Libanon aus will sie dann öfter auf dem Umweg über die Schweiz oder Syrien nach Israel eingereist sein. Einer ihrer Vorwände seien Besuche bei Verwandten in Syrien gewesen, die sie gar nicht hat. Und das soll nicht aufgeflogen sein, obwohl der syrische Staat den Libanon kontrolliert und umgekehrt die Hizbollah in Damaskus vertreten ist.

Politische Sympathie für die arabischen Bewegungen, mit denen sie in Kontakt tritt, lässt sie in keiner Form erkennen, vielmehr handelt es sich aus ihrer Sicht um gefährliche Irre. Über die Politik des Staates Israel und dessen Geheimdienststrategie weiß sie so gut wie nichts zu berichten, von den politischen Vorstellungen im arabischen Raum erfährt man gleich gar nichts – es sei denn, dass man überall auf »diskrete, aber präsente« russische Agenten trifft. Später will sie sich dann in Syrien auf ein Netz von sympathischeren Leuten gestützt haben, nämlich im Untergrund lebende Mitglieder einer demokratisch-liberalen oder intellektuellen Opposition. Dass gerade diese verfolgten und in mehreren Fällen gefolterten Personen die verlässlichste Basis für israelische Geheimdienstoperationen geboten hätten, darf bezweifelt werden. Nach eigenen Angaben wird die Autorin später selbst gefoltert. Und schließlich verliert sie die Motivation, bei dem insgesamt blutigen Handwerk mitzumischen, und reist 2001 nach Paris.

Die eigentliche Botschaft ihres Buches ist im Schlussteil verborgen. Auf den letzten 25 Seiten geht es um die Attentate des 11. September 2001, die sie als Angestellte eines Callcenters in Paris »erlebt« habe. Als sie mit anderen, in London lebenden Ex-Geheimdienstlern Kontakt aufnimmt, stellt sich heraus, dass niemand an eine islamistische oder sonstwie »arabische« Täterschaft glaubt. Technisch zu komplex, lautet ein Einwand, es handele sich um die Arbeit von Profis, die es schafften, die Anschläge jahrelang in totaler Geheimhaltung vorzubereiten. »Warum haben sie nicht einfach so ein Flugzeug auf New York gestürzt?« fragen sich die vier diskutierenden Ex-Agenten.

Im Übrigen, führt einer aus der Runde aus, sei der Bordfunk in der entführten Boeing, die zuerst auf New York krachte, sofort nach ihrer Übernahme durch die Entführer ausgeschaltet worden. Das aber bedeute, dass das US-Flugleitsystem keine Navigationsdaten mehr an das Flugzeug übermittelt habe. Deshalb aber, so geht die Überlegung weiter, hätte ein bestenfalls mäßiger Pilot, der nur ein paar Flugstunden in den USA genommen hat, keinesfalls eine Boeing in der Luft halten können. Also dränge sich eine andere Erklärung auf. Vermutlich sei das Flugzeug auf das russische Leitsystem Glonass umgeschaltet worden. Russland stehe hinter dem Attentat auf das WTC.

Das also ist die wesentliche Botschaft, die das Buch von »Nima Zamar« transportieren soll. Finster-fanatische Araber sowie israelische Geheimdienstler, denen man in Europa mitunter gern eine ungeheure Macht über alle möglichen Geschehnisse in der Welt andichtet, liefern die passende Kulisse für diesen dramatischen Schluss. Er enthält die sensationelle Enthüllung, auf die der Leser über 300 Seiten hinweg vorbereitet wird.

Das Buch steht für eine Spielart des Spionagethrillers, der als solcher unterhaltsam sein kann, wenn man das Genre schätzt. Ob man ihn für bare Münze nimmt, ist eine völlig andere Frage. Der Kindler-Verlag hat sie vorerst beantwortet.

Nima Zamar: Je devais aussi tuer. Edition Albin Michel, Paris 2002, 334 S., 19,50 Euro

Jungle World
Jungle World Nummer 5 vom 21.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-21

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