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Österreich:
Kleine Durststrecke

Anfang März finden in Kärnten Landtagswahlen statt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Jörg Haider danach nicht mehr Landeshauptmann ist...

Hito Steyerl

Der Mann will zurück in die Wüste. Nach Jörg Haiders Besuchen in Bagdad vor dem Irakkrieg, bei denen er Saddam Hussein der Solidarität des österreichischen Volkes versicherte, soll es diesmal nach Libyen gehen. Dort will Haider, der Saif el Islam Gaddafi, den Sohn des Revolutionsführers Muammar el Gaddafi, zu seinen Freunden zählt, für eine österreichische Wirtschaftsdelegation als »Türöffner« fungieren. Seine notorische Vorliebe für israelfeindliche Potentaten soll in Aufträge für die österreichische Wirtschaft umgemünzt werden. Denn: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.« Schon früher wurde Haider in Libyen vorstellig und entwickelte damals den bis heute nicht realisierten Plan, dass Kärntner Diskonttankstellen libysches Billigbenzin verkaufen sollen.

Haiders neues außenpolitisches Solo findet werbewirksam vor dem Hintergrund des Landtagswahlkampfes in Kärnten statt. Die Wahl könnte für ihn existenzielle Folgen haben. Verliert Haider am 7. März seinen Postens als Landeshauptmann, ist ihm damit auch die wichtigste politische Bühne auf Bundesebene genommen. Und der Verlust seines Posten ist nach den jüngsten Entwicklungen eine durchaus realistische Möglichkeit.

Ein bizarres Fernsehinterview mit Haider Ende Dezember hatte zur Folge, dass die Kärntner ÖVP mitteilte, sie werde ihm bei einer möglichen Wiederwahl jegliche Unterstützung verweigern. Im Interview hatte er bezweifelt, dass Saddam Hussein von amerikanischen Truppen gefasst worden sei. Stattdessen, behauptete er, handle es sich um einen Doppelgänger. Dass er selber bei einem Besuch bei Hussein einem Doppelgänger gegenüber gesessen habe, bestritt er mit dem geheimnisvollen Hinweis, dass dereinst der Zeitpunkt kommen werde, an dem er das Gegenteil beweise. Im gleichen Atemzug bezeichnete er Israel als Diktatur.

Als Reaktion auf seine Äußerungen im Interview wurden zum wiederholten Male, vor allem in der ausländischen Presse, Spekulationen über Haiders Geisteszustand laut. Es kam jedoch niemand auf die Idee zu fragen, was es eigentlich mit dem Geisteszustand der Wähler auf sich hat, die seit Jahrzehnten Haider nicht trotz, sondern wegen solcher Aussagen wählen.

So etwa vor fünf Jahren, als die FPÖ in Kärnten 42 Prozent aller Stimmen erzielte und mit zehn Prozent Abstand vor den Sozialdemokraten stärkste Partei wurde. Damals wurde Haider mit Hilfe der ÖVP zum Landeshauptmann gewählt. Bei der letzten Parlamentswahl – kurz nach der Sprengung der ersten schwarzblauen Regierung durch die FPÖ – fiel die Partei in dem Bundesland jedoch auf 23,6 Prozent hinter die beiden anderen Parteien zurück. Bei den Gemeinderatswahlen 2003 erreichte die Partei nur noch 19 Prozent. Gleichzeitig wurde die SPÖ mit 44 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Dass die FPÖ den Landeshauptmann stellen kann, scheint derzeit unrealistisch. Daher könnte die mangelnde Unterstützung der ÖVP Haider sein Amt kosten.

Gleichzeitig bröckeln jedoch auch schon die Fronten der Gegner Haiders. Der Spitzenkandidat der SPÖ, Peter Ambrozy, argwöhnt, dass der Wiederwahl-Boykott der ÖVP gegen Haider längst durch schwarzblaue Geheimabkommen unterlaufen sei. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat sich in einem Interview unzufrieden mit der Boykottfestlegung der ÖVP-Landespartei gezeigt. Nach dessen Kritik beeilte sich die Spitzenkandidatin der ÖVP, Elisabeth Scheucher, zu versichern, dass der Boykott nur gegen die Person Haider, nicht aber gegen die FPÖ als solche ausgesprochen worden sei.

Dass die Bundesregierung nicht daran denkt, den Boykott der ÖVP-Landespartei zu unterstützen, zeigt auch die Wahlkampfhilfe, die ausgerechnet Haiders Intimfeind, der aus der FPÖ ausgetretene und seither parteilose Finanzminister Karl-Heinz Grasser, geleistet hat. Grasser kündigte bei einem gemeinsamen Auftritt großzügige Bundesförderungen für Kärntner Institutionen an. Aber auch bei den Sozialdemokraten gibt es Abtrünnige, wie etwa ein Parteimitglied, das auf der FPÖ-Liste kandidieren will. Haider selber ist optimistisch, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass er die Kärtner ÖVP und ihre Ankündigungen richtig einzuschätzen weiß. »Insgesamt glaube ich, dass die ÖVP ein großes Interesse daran hat, dass ich weiter Landeshauptmann bin«, erklärte er vergangene Woche selbstbewusst in einem Interview der Wochenzeitung Format.

Die Abwahl Haiders ist also keineswegs so sicher, wie sie nach den Umfragen und der derzeitigen politischen Konstellation zu sein scheint. Nicht nur kann sich bis März und vor allem auch nach den Wahlen die Position der Kärntner ÖVP noch mehrfach wandeln. Fraglich ist auch, ob die Geisteskraft der Kärnter Bevölkerung dazu ausreicht, ihren Landeshauptmann abzuwählen. Die Wähler holten ihn ja auch damals, als er zurücktreten musste, weil er die NS-Beschäftigungspolitik gelobt hatte, schon einmal wieder ins Amt.

Für den Fall, dass das Unwahrscheinliche dennoch geschehen sollte, hat die derzeitige ÖVP-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Benita Ferrero-Waldner, angekündigt, keine Einwände gegen eine mögliche Ernennung Haiders zum Minister zu erheben. Als Dankeschön hat sich der Kärtner Landeshauptmann vergangene Woche positiv über sie geäußert: »Ich habe ihr gegenüber eine respektvolle Sympathie – und nicht nur, weil sie auch schon einmal in Libyen war. Sie ist lernfähig, hat erkannt, dass das Geschrei rund um meine Irak- und Libyen-Politik nicht berechtigt war.« Ferrero-Waldner ist bei der Wahl auf die Unterstützung der FPÖ angewiesen.

Aber auch wenn Haider in Zukunft in der österreichischen Politik weniger sichtbar sein sollte, ist seine Politik ohnehin zum festen Bestandteil des Regierungsprogramms geworden. So plant FPÖ-Justizminister und Haider-Anwalt Dieter Böhmdorfer den Bau österreichischer Gefängnisse in Rumänien, da es sich hier um ein »Herkunftsland der Kriminalität« handle und die Unterbringung der Häftlinge dort deutlich billiger wäre.

Aber auch die Haiderisierung der SPÖ schreitet voran. Jüngstes Beispiel ist der Vorschlag ihres Vorsitzenden Alfred Gusenbauer, Zuwandererkinder zum Kindergartenbesuch zu zwingen. Dieser Vorschlag wurde zwar zurückgenommen, als sich herausstellte, dass Migrantenkinder proportional ohnehin stärker in Kindergärten vertreten sind als österreichische Kinder. Er zeigt jedoch, dass Haiders Politik in Österreich zum Mainstream gehört, auch wenn er selber womöglich in die Wüste geschickt wird.

Jungle World
Jungle World Nummer 6 vom 28.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-28

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