Gera:
Antifa-Proteste nach Tod eines Aussiedlers
Polizei sieht keinen politischen Hintergrund - Unter der
Losung »Überlasst den Nazis nicht die Straße« demonstrierten gestern in Gera
über 100 Jugendliche gegen rechtsextremistische Umtriebe in der zweitgrößten
Stadt Thüringens...
Peter Liebers
Anlass der
Antifa-Proteste war der Mord an einem 27-jährigen Jugendlichen im Januar, der
von den Demonstranten Neonazis angelastet wird, da die Täter der rechten Szene
zuzuordnen seien. Polizei und Staatsanwaltschaft bestreiten dagegen politische
Motive der Tat. Nach ihrer Darstellung haben das Opfer und weitere vier
Jugendliche zusammen gezecht. Die Täter seien dabei von dem 27-Jährigen
beleidigt worden. Daraufhin hätten sie ihn in ein nahes Waldstück gelockt und
mit einer Bierflasche niedergeschlagen. Das Opfer sei dann getreten, mit einem
Messer attackiert und schließlich mit einem Hammer geschlagen worden. Die vier
Täter im Alter zwischen 14 und 19 Jahren waren wenige Tage nach der Tat
festgenommen worden. Nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwaltes Ralf
Mohrmann bestehe aber eine »Denkmöglichkeit«, dass die Täter den Mann
misshandelten, weil er Spätaussiedler war.
Heftige Proteste
gab es während der Demonstration, weil die Polizei ein Flugblatt beschlagnahmt
hatte, das unter anderem das Tucholsky-Zitat: »Schlagt die Faschisten, wo ihr
sie trefft« enthielt und eine mit einem Schlagstock bewaffnete Komik-Figur
zeigte. Nach Polizeiangaben war die Verteilung des Flugblattes bereits im
Vorfeld der Demonstration untersagt worden, weil daraus ein Aufruf zur Gewalt
abzuleiten sei.
Harsche Kritik wurde während der Demonstration an der Thüringer Landesregierung
wegen deren Haltung zu dem Civitas-Projekt ABAD geübt. Den Anlaufstellen für
Betroffene rechtsextremistischer und rassistischer Gewalttaten (ABAD) war vom
Innenministerium die für die Bundesförderung erforderliche Befürwortung
verweigert worden. Damit war Ende vorigen Jahres das Ende von ABAD in Thüringen
besiegelt worden. Deshalb sei auch eine Betreuung der Angehörigen des Geraer
Mordopfers nicht mehr möglich, hieß es während der Demonstration, auf der unter
anderem der Aufbau antifaschistischer Aktionen gefordert wurde.
Neues Deutschland
Neues Deutschland vom 02.02.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-02
|