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IG-Farben-Haus:
Haus mit Vergangenheit

An der Universität in Frankfurt am Main wird über das ehemalige IG-Farben-Haus gestritten. Überlebende des KZ Buna/Monowitz wollen sich nun dort treffen...

Jesko Bender

Das Motto der Sendung »Talk vor Ort« des Hessischen Rundfunks hätte kaum zynischer sein können: »Made in Germany – Wie viel ist Deutschland noch wert?« Denn gesendet wurde live aus dem Foyer des ehemaligen IG-Farben-Gebäudes an der Universität Frankfurt am Main. Neben dem Geschäftsführer und Inhaber der Bekleidungsfirma Trigema, Wolfgang Grupp, waren der frühere Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) und ein Journalist des Stern als Diskussionsteilnehmer eingeladen. Sie mussten dann miterleben, wie kurz nach dem Beginn der Sendung AktivistInnen ein Transparent entrollten, auf dem zu lesen war: »IG Farben, Zyklon B – das ist ›Made in Germany‹. Zwangsarbeiterauszahlung sofort.« Doch diese Debatte war im reformeifrigen Rund nicht erwünscht. Die Protestierenden wurden von MitarbeiterInnen des Hessischen Rundfunks überwältigt.

In dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Chemiekonzerns IG Farben sind seit dem Jahr 2001 die geisteswissenschaftlichen Fachbereiche der Universität Frankfurt untergebracht. Der »Campus Westend« soll in Zukunft eines der modernsten Universitätsgelände Europas werden. Deshalb wird die Bedeutung des Gebäudes während des Nationalsozialismus, so gut es geht, aus der Erinnerung verbannt. Die Bezeichnung »Campus Westend« ist symptomatisch dafür, lässt sie doch jeden Verweis auf die IG Farben vermissen.

Für die Überlebenden des von der IG Farben betriebenen Konzentrationslagers Buna/Monowitz ist das Haus jedoch von großer Bedeutung. Denn sie hatten, wie der inzwischen verstorbene Alfred Jachmann betonte, »mittelbar oder unmittelbar unter den Forschungen und Entscheidungen der IG am Schreibtisch zu leiden«. In dem Gebäude wurde unter anderem beschlossen, zusammen mit der SS das Konzentrationslager bei Auschwitz zu errichten. In den Jahren 1941 bis 1945 fielen dem Programm »Vernichtung durch Arbeit« in Buna/Monowitz über 30 000 Menschen, überwiegend Juden, zum Opfer. Nur wenige haben die Zwangsarbeit für den Chemiekonzern überlebt.

In den kommenden Tagen wollen sich etwa 90 Überlebende im IG-Farben-Haus treffen. Sie reisen größtenteils aus den USA, aus Israel, Frankreich und Deutschland an, um sich wiederzusehen, sich auszutauschen, zu erinnern und um Gespräche mit SchülerInnen und StudentInnen zu führen. Zudem finden zahlreiche öffentliche Veranstaltungen statt. Unter dem Titel »Zeuge im NS-Prozess: Opfer als Beweismittel« betrachten die Überlebenden David Salz, Heinz Kahn, Tibor Wohl und Fredy Diament im Gespräch mit dem ehemaligen Generalstaatsanwalt Hans Christoph Schaefer sowie mit Jürgen Hess, Staatsanwalt a.D., ihre Erfahrungen als Zeugen in den Frankfurter Auschwitz-Prozessen und setzen sich mit dem Thema Opferschutz auseinander.

In einer anderen Veranstaltung berichten Sig Halbreich, mit 94 Jahren der älteste Teilnehmer des Treffens, und Fredy Diament, die in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert waren, über ihre Geschichte und ihren Umgang mit den Erfahrungen nach 1945. Beide sind seit 1939 eng befreundet und leben heute in Los Angeles.

Für sie alle ist das IG-Farben-Haus der einzige Gedenkort mit einem direkten Bezug zur Vergangenheit, da das Konzentrationslager nach dem Krieg niedergerissen, der Ort Monowice wieder aufgebaut wurde. Doch die Universitätsleitung versucht schon seit dem Einzug der Geisteswissenschaften in das Haus, dessen Geschichte aus dem Alltag zu verdrängen. Alfred Jachmann, der zum Vorbereitungskomitee für das erste Überlebendentreffen im Jahr 1998 gehörte, wies schon damals darauf hin, dass die Universität »guten Willens« sein müsse, um einen Beitrag zu leisten, »Geschichte zu vermitteln und zu verstehen«. Der gute Wille fehlte offensichtlich, denn schon zu Beginn der Diskussionen um den Umzug waren die Überlebenden mit einer abwehrenden Haltung der Universitätsleitung konfrontiert.

Eine Gedenktafel für die Ermordeten, welche erst nach Beginn des Unibetriebes im Herbst 2001 angebracht wurde, musste von den Überlebenden regelrecht erkämpft werden. Der ehemalige Universitätspräsident, Werner Meissner, habe »immer wieder Einwände gegen die konkrete Verwirklichung des Projektes Gedenktafel« gehabt, sagte Alfred Jachmann damals. So existierte beim ersten Treffen der Überlebenden im Herbst 1998 noch keine Gedenktafel. Als sie schließlich eingeweiht wurde, blieben einige Überlebende den Feierlichkeiten aus Unmut fern, denn niemand von ihnen war als RednerIn vorgesehen.

Auch die Debatte um den Namen des Hauses war von Ablehnung geprägt. Kontinuierlich versuchte Meissner, nicht den Namen »IG-Farben-Haus«, sondern »Poelzig-Ensemble«, nach dem Architekten Hans Poelzig, als Bezeichnung für das Gebäude einzuführen. Am Ende setzte sich, entsprechend dem angestrebten modernen Image der Universität, »Campus Westend« durch.

Vor dem zweiten Treffen der Überlebenden zeigt sich die Universitätsleitung sprachlos. Auf Anfrage heißt es, dass man zu dem Treffen in den Gebäuden der Universität nichts sagen könne; es hat wohl niemand mitbekommen. Kurze Zeit später heißt es, man sehe keine Veranlassung mitzuwirken, schließlich seien Studierende und Professor Dr. Micha Brumlik, der Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, an dem Treffen beteiligt.

Die Reaktion verdeutlicht einmal mehr den Umgang der Universität mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Gebäudes. Die Initiative Studierender im IG-Farben-Haus, die das Treffen zusammen mit dem Fritz-Bauer-Institut organisiert hat, weist darauf hin, dass der Präsident der Universität, Rudolf Steinberg, zugesagt habe, sich persönlich für ein weiteres Treffen einzusetzen. Die wiederholte Forderung der Initiative, dem auch tatsächlich nachzukommen, »wurde bisher barsch abgeblockt, die Beweislast umgekehrt. Wir sollen erst einmal beweisen, dass ein solches Versprechen überhaupt gegeben wurde«, kritisieren die Studierenden. Mit dem Umzug sei die Universität in der Verantwortung, Treffen von Überlebenden zu organisieren. »Dass sie das nicht tut, fügt sich nahtlos in die Erinnerungspolitik im IG-Farben-Haus ein«, sagt Sarah Dellmann von der Initiative. Um dennoch ein Wiedersehen der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen zu ermöglichen, übernahmen die Studierenden selbst die Initiative und organisierten das Treffen.

Im Jahr 1998 sah Alfred Jachmann noch die Chance, »in einem solchen Haus, von dem so viel Unheil ausgegangen ist, Geschichte zu vermitteln und zu verstehen«. Allerdings fürchtete er auch, dass es »bei dem Anbringen eines Schildes ›Universität Frankfurt‹ bleiben« könnte. Das wäre der Universität wohl auch am liebsten gewesen.

Jungle World
Jungle World Nummer 14 vom 24.03.2004

kt / hagalil.com / 2004-03-24

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