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Judentum und Israel
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Der Stürmer aus Nürnberg:
"Vor dem Stürmer-Kasten standen stets viele Leute"

Die Darstellung jüdischer und nicht-jüdischer Frauen im "Stürmer"...

Renate Geier

Herausgegeben in Nürnberg verbreitete die Zeitschrift "Der Stürmer" ab 1923 Woche für Woche ihre antisemitische Hetzpropaganda. Der so genannte Frankenführer Julius Streicher hatte das anfänglich vierseitige Blatt mit einer Auflage von zwei- bis dreitausend Stück ins Leben gerufen. Nach 1933 nahm die Auflage schlagartig zu und erreichte - mittlerweile auf 12 Seiten angewachsen - 1936/37 mit 486.000 gedruckten Exemplaren ihren Höhepunkt.

 

Ihre massivste Verbreitung fand die Zeitschrift in Nürnberg und Mittelfranken, dem unmittelbaren Machtbereich Streichers. Hier hing der "Stürmer" an zentralen Plätzen in so genannten "Stürmerkästen" aus und war somit nicht nur für ihre AbonnentInnen oder für die BesucherInnen von Kantinen oder Friseursalons, die den "Stürmer" auslegten, sichtbar, sondern für alle - für überzeugte Nazis und MitläuferInnen ebenso wie für GegnerInnen des NS-Regimes und jüdische Menschen. Besonders überzeugte LehrerInnen verwendeten den "Stürmer" oder die vom Stürmer-Verlag herausgegebenen Kinderbücher auch als Unterrichtsmaterial. Am Bild "des Juden", wie es "Der Stürmer" zeichnete, kam in Mittelfranken niemand vorbei; auch ZeitzeugInnen erinnern sich oft noch lebhaft, wo Stürmerkästen hingen.

 

In den Anfangsjahren veröffentlichte der "Stürmer" überwiegend Artikel mit Regionalbezug, griff aber ab Ende der zwanziger Jahre verstärkt auch reichsweite Themen auf. Mit der Expansion des Reiches verlagerten sich die Themenschwerpunkte auf die besetzten Gebiete und Länder bzw. die Kriegsgegner. Letztendlich aber war - unabhängig vom Thema des Artikels - der einzige Inhalt des "Stürmers" antisemitische Hetze. Egal ob es gegen konkrete Personen des öffentlichen Lebens der Weimarer Republik ging, gegen Demokratie und Frauenemanzipation, moderne Kulturströmungen, die Sowjetunion und den Bolschewismus, die USA und das (internationale) Finanzkapital, jedes Thema wurde in einer Weise bearbeitet, die "den Juden" zum Mittelpunkt machte. Man half durch Retouchieren nach

 

Über jüdische Frauen finden sich im "Stürmer" kaum Artikel, das "Weltjudentum" wird stets durch jüdische Männer repräsentiert. Während in den zwanziger Jahren zur Illustration vor allem Zeichnungen verwendet wurden - beispielsweise die bösartigen Karikaturen von Philipp Rupprecht, dem Erfinder des so genannten Stürmer-Juden mit fettem Leib und übergroßer Nase -, fanden in den dreißiger Jahren zunehmend Fotos Verwendung. Die Fotos zeigten sowohl jüdische Männer als auch jüdische Frauen und waren stets mit einer Bildunterschrift versehen, die die Bildaussage pointierten sollte, oft aber das Foto erst durch entsprechende Interpretation für die antisemitische Aussage nutzbar machte. Wenn dies den Zwecken der Redaktion immer noch nicht genügte, half man durch Retouchieren nach.

 

Eines der häufigsten Themen ist die angebliche Hässlichkeit jüdischer Frauen, wobei zugleich in höhnischem Ton unterstellt wird, die betreffende Frau fände sich selbst attraktiv: "Rebekka schielt zwar, glaubt aber dennoch, besonders hübsch zu sein." Oft wurden den Frauen Namen wie Rebekka oder Sara zugeordnet, und abwertende Wortkombinationen wie "Perückensara", "Faltenrebekka" und "Brillensara" gebildet. Fehlende Weiblichkeit unterstreicht das Foto einer älteren Frau mit Haarwuchs am Kinn: "Bei ihr ist nicht leicht festzustellen, ob sie Mann oder Weib ist." Das Vorurteil, jüdische Frauen seien nicht nur alt und hässlich, sondern auch schmutzig, wurde durch Fotos verarmter Frauen in abgetragener Kleidung mit Bildunterschriften wie "Sie waschen sich oft wochenlang nicht" unterstützt. Bevorzugte Quelle für diese Fotos waren die Ghettos. Auf die Verbindung von faul und schmutzig verweist zum Beispiel ein Bild mit der Unterschrift "Jüdin x. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie hier einen Besen in der Hand. Sie musste die Räume der Gestapo reinigen". Auf dem Bild ist eine Frau mittleren Alters im einfachen Kleid mit Besen in der Hand zu sehen.

 

Manchmal wurden ganze Seiten zusammengestellt, die mehrere jüdische Frauen zeigten. Unter der Überschrift "Weiber des Satans - Wiener Jüdinnen" sind neun ältere Frauen abgebildet. Die Bildunterschriften stellen bestimmte Grundtypen heraus: Das "Schwertmaul", die "Klatschbase", die "Gutmütige", die "Kriminelle", die "Gelegenheitsarbeiterin" (mit der Erläuterung: "Sie arbeitet nur, wenn sie dort stehlen kann"), die "Drohne" ("hat noch nie gearbeitet"), die "Schnorrerin" ("arbeitet nicht, lebt aber doch"), die "Hausiererin", die "Trödlerin". Auf anderen Fotos werden den Frauen Tätigkeiten wie Devisenschieberin, Wahrsagerin und Kupplerin zugeordnet. Eine andere Seite zeigt Portraits von Frauen unter der Überschrift "Giftspeiende hysterische Judenschiksen auf einer Judentagung in Zürich". Die Attributzuweisung ist hier eine typisch frauenbezogene (giftspeiend, hysterisch). Auch an anderer Stelle verweist der "Stürmer" darauf, dass Frauen in der Politik nichts zu suchen hätten, da Frauenemanzipation eine typisch jüdische Idee sei. Wenn jüngere Frauen dargestellt wurden, so geschah dies meist mit der Unterstellung, die betreffende Frau habe es auf die Verführung arischer Männer angelegt oder aber sie leide unter einer Geschlechtskrankheit.

 

Auch das Motiv des Weibes mit böser Zunge wird oft und gern wiederholt: "Ihre Gewohnheit, an allem herumzunörgeln, hat sie zum gefürchtetsten Weib der ganzen Vorstadt gemacht", so zu lesen unter dem Foto einer verschmitzt aussehenden, ebenfalls älteren Frau. Noch weiter gehende Ressentiments erzeugte und bediente der "Stürmer" durch die Abbildung von Frauen in soldatischer Uniform oder mit Waffen, zum Beispiel Partisaninnen. Diese wurden als "Furien" oder "Flintenweiber" bezeichnet. Ob die Frauen auf den Fotos dabei tatsächlich jüdische Frauen waren oder nicht, wird der Stürmerredaktion egal gewesen sein. Frauen unter Waffen galten wie auch Frauen in der Politik per se als jüdisches Phänomen.

 

Die Fotos jüdischer Frauen zeichnen - zusammen mit den Bildunterschriften - im Wesentlichen folgendes Bild: Alt, hässlich und schmutzig, aber eitel, wenn jünger, dann sexuell aktiv/aggressiv, bösartig und klatschsüchtig, faul und arbeitsscheu, wenn tätig, dann in "unsoliden Berufen", kriminell oder dominant (als Ausbeuterin oder "Flintenweib"). Bemerkenswert ist auch, dass jüdische Frauen so gut wie immer als allein stehend dargestellt werden, es kommen weder Mütter noch Ehefrauen vor. Im Bild der "Jüdin" wurden eine Reihe der Stereotypen aufgenommen, die den Typus der "alten Hexe" kennzeichnen.

 

Nur ein Thema: antisemitische Hetze

 

Im Gegensatz zu den als unabhängig und deshalb bedrohlich dargestellten Jüdinnen wurden nicht-jüdische, so genannte deutsche Frauen im "Stürmer" überwiegend als Objekte und Opfer von "Rassenschande" dargestellt. Mit diesem Begriff wurden sexuelle Beziehungen zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Menschen bezeichnet, wobei im "Stürmer" fast ausschließlich die Variante jüdischer Mann und nichtjüdische Frau zu finden war, der umgekehrte Fall entsprach weder dem gängigen heldischen Männlichkeitsbild noch traf er die Interessen der Stürmerleser und -leserinnen. Kein anderes Einzelthema nimmt innerhalb der über 20-jährigen Zeitungsgeschichte so viel Raum ein: In kaum einer Ausgabe fehlten Zeichnungen oder Fotos angeblicher "Rassenschänder", Berichte scheinbar skandalöser Vorgänge, Anspielungen, detaillierte Beschreibungen von Verführungen und Vergewaltigungen. Der pornografische Ton, in dem diese Artikel gehalten waren, bediente dabei ein bestimmtes Leserpublikum. Während einerseits unterstellt wurde, dass das Streben und Trachten jüdische Männer ohne Unterlass auf die Verführung nicht-jüdischer Mädchen und Frauen gerichtet war, galten diese selbst als schwache und willenlose Wesen, die geschützt werden mussten. Dass eine Verbindung auf gegenseitiger Zuneigung beruhte, war für die Redakteure des "Stürmer" undenkbar. So wurden Frauen, die sich nicht freiwillig von ihren jüdischen Ehemännern scheiden ließen, als "hörig" bezeichnet.

 

Das Material für diese Artikel bezog die Stürmerredaktion einerseits aus eigener "Recherche", zu einem nicht unerheblichen Teil aber auch aus Leserzuschriften und Denunziationsbriefen. Seit den so genannten "Blutschutzgesetzen" von 1935 konnte ein Verfahren wegen "Rassenschande" für den jüdischen Partner mit der Todesstrafe enden. Die nicht-jüdische Partnerin wurde vorzugsweise der Demütigung preisgegeben, indem sie beispielsweise "an den Pranger gestellt" wurde. Um den Hals ein Schild mit der Aufschrift: "Ich bin am Ort das größte Schwein und lass mich nur mit Juden ein".

 

Die deutsche Frau als treue Gefährtin des deutschen Mannes, als fürsorgliche und bescheidene Hüterin von Heim und Herd, als stolze Heldenmutter einer mutterkreuzverdächtigen Anzahl von deutschen Kindern, fleißig, gesund und sauber, aber nicht auf Äußerlichkeiten bedacht: Diesen nationalsozialistischen Propagandabildern wurde im "Stürmer" nicht viel Raum gewährt, denn der "Stürmer" hatte nur ein Thema und dies war der Antisemitismus.

 

Dieser richtete sich einerseits gegen jüdische Männer und Frauen in personam. Andererseits wurde alles, das der Ideologie Streichers und seiner Mannen entgegenlief, als "jüdisch" bezeichnet. Obwohl ihm keine direkte Beteiligung an einem Mord nachgewiesen werden konnte, wurde Julius Streicher bei den Nürnberger Prozessen wegen seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Damit erkannte das Gericht den Beitrag der Streicherschen Propaganda, das heißt die Macht der Wortes (und des Bildes), am Holocaust an.

 

"Ich kam immer an der Tetzelgasse vorbei. Dort war ein Stürmer-Schaukasten, vor dem stets viele Leute standen. In der Zeitung war z.B. ein dicker Jude zu sehen, der ein hübsches blondes Mädchen auf seinen Knien liegen hat."

 

Hanni Wertheim, 1929 aus Nürnberg emigriert.

 

"Wir hatten sehr antisemitische Nachbarn. Sie verleumdeten meine Familie bei Streicher. Deshalb stand im Stürmer eine hanebüchene Geschichte, dass mein Vater mit meiner Mutter Schweinereien vor nur halbgeschlossenem Vorhang treibe. Das las ich in dem Stürmer-Schaukasten in der Tetzelgasse."

 

Batia Stahl, 1933 aus Nürnberg emigriert

 

"Und an die Stürmer-Kästen, die überall herumstanden, kann ich mich natürlich erinnern."

 

Cilla Nesher, 1935 aus Nürnberg emigriert

 

"Mein Vater hatte einen Rechtsstreit mit einem Kunden. Und Juden schworen damals vor Gericht auf eine andere Art ihren Eid. Ich sah auf dem Weg zur Schule in den Stürmer-Kästen die Schlagzeile: ’Wie der Jude Mendel Wechsler schwört.’"

 

Judith Wissmann, 1931 aus Nürnberg emigriert

 

"Unser Haus wurde im Stürmer mit der Bildunterschrift abgebildet: ’Der Jude Schloß hat am 1. Mai nicht geflaggt."

 

Ruth Schloß, 1936 aus Nürnberg emigriert

 

Die Zitate sind dem Buch "Flucht nach Palästina" von Peter Zinke entnommen.

Raumzeit
Raumzeit Nummer 29 vom 10.04.2004

al / hagalil.com / 2004-04-18

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